Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
vom Stuhl auf und versuchte dabei, ETHANACS Stecker aus der Konsole zu ziehen. Aber ich bekam ihn nicht heraus. Kabir hatte ihn verriegelt. Ich zerrte daran herum. „Mach schon, verdammt noch mal, laß mich los!“
    Salad sah mir mit schweigender Bewunderung zu, und dann zog er die Pistole.
    Ich erstarrte, ertappt mit heruntergelassener Hose und die Hand in der Keksdose. „Ich weiß, wie das aussieht, und kann mir vorstellen, was Sie jetzt denken, aber ich wollte eigentlich nur …“
    Die Pistole ging einmal los, unhörbar, und etwas traf mein Knie wie eine unsichtbare Axt. Ich brach mit einem Aufschrei tiefempfundenen Schmerzes auf dem Stuhl zusammen und griff mir ungläubig ans Bein.
    „Ich bin wirklich froh, daß Sie es waren, Mr. Ring“, sagte Salad freundlich. „Nachdem Sie unsere Abmachung gebrochen haben. Nachdem Sie im Hotel soviel Schaden angerichtet haben. Nachdem Sie abgereist sind, ohne dafür zu bezahlen …“ Er brach in ein Lachen aus, das einem mordlüsternen Irren wohl angestanden hätte. „Nun, jetzt werden Sie für alles bezahlen, Mr. Ring. Weil Mr. Kabir immer noch wissen möchte, wer Sie angeheuert hat. Und ich werde Sie dazu bringen, mir zu sagen, wer das war … Aber sagen Sie es mir nicht zu schnell; das würde das Vergnügen kaputt machen. Und außerdem würde es Ihnen sowieso nichts nützen …“ Er konnte jeden Augenblick anfangen zu sabbern. Er brachte die Pistole wieder in Anschlag.
    „O mein Gott“, stöhnte ich, zu benommen, um klar zu denken. „O mein Gott. Hilf mir, Kabir, bitte, du willst doch nicht spüren, wie er mir das antut! Sag ihm, er soll aufhören, du kannst ihn dazu bringen …!“ Ich weiß nicht, woher ich die Eingebung hatte, aber sie mußte vom Himmel gesandt sein.
    Weil der Bildschirm vor mir in zehn Zentimeter großen Buchstaben aufleuchtete: „SALAD, HÖR AUF.“
    „Sehen Sie!“ stammelte ich und schlug wie wild gegen den Bildschirm. „Sehen Sie, hier …“
    Salad ließ die Pistole sinken, und seine Augen wurden ein klein wenig größer. Sie wurden wieder kleiner. „Das ist ein Trick. Sie haben daran herumgepfuscht …“
    „Es ist kein Trick!“ Es ist schwer, durch zusammengebissene Zähne zu schreien.
    „Salad“, wieder eine Buchstabenfolge, kleiner, „dies ist Kabir.“ Eine Kodesequenz wurde ausgedruckt. „Ich möchte diesen Mann selber befragen, auf meine Art. Sie werden ihn nicht anrühren, ehe ich nicht den Befehl dazu gegeben habe. Verstanden?“
    „Aber Sie haben doch gesagt …“ Salad ließ die Pistole ganz sinken und machte ein ungläubiges Gesicht. „Verstanden, Sir. Ich wußte nicht, daß Sie … hören können, Sir.“
    „Es gibt eine ganze Menge, was Sie von mir nicht wissen, Salad“, sagte der Bildschirm. „Und was Sie niemals wissen werden.“
    Einschließlich der Tatsache, daß Kabir meine Gedanken las … Du lieferst dich also meiner Gnade aus, Ethan Ring? Seine elektronische Telepathie bildete mit der Geschwindigkeit von Gedanken Wörter in meinem Kopf; der Bildschirm wurde dunkel.
    Ja, Mr. Kabir, dachte ich pflichtschuldig. Vielen Dank, Sir. Wenn meine Stimme hätte zittern können, hätte sie gezittert.
    Es ist lange her, seit ich … Schmerz empfunden habe, Ring. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich ihn verabscheue …
    Da sind Sie nicht der einzige. Ich sah mir mein blutgetränktes Hosenbein an und fragte mich, ob er sich wohl auch daran erinnern wollte, wie es ist, wenn man schwerverletzt ist. ETHANAC, hilf mir heraus … Ich spürte, wie in meinem Kopf ein leichtes Summen anhob, als er die Schmerzempfindungen abklingen ließ. Wuff … Mein Kopf wurde langsam klarer. Das war’s.
    Und damit sind wir wieder bei meiner ersten Frage, die Sie immer noch nicht beantwortet haben, Ring: Wer sind Sie, und was sind Sie? Sind Sie ein Mensch oder eine Maschine? Ich hatte noch nie Kontakt mit etwas wie Ihnen. Ich wußte noch nicht einmal, daß so ein Wesen überhaupt existiert.
    In meinem Bewußtsein hörte sich das, was er sagte, arabisch an. Ich ging schmeichlerisch dazu über. Das geht mir genauso, Sir. Ich bin beides. Vor Ihrem Terminal sitzt ein Mensch, an ihn angeschlossen ist eine Maschine: Der Verstand setzt sich aus beidem zusammen. Ich brachte das Beispiel mit den drei Farben.
    Eine regelrechte Symbiose! Wie ist das passiert? Wer hat Sie dazu gemacht? Erzählen Sie mir von sich … Ich merkte, wie eine seltsam brennende Begierde meinen Kopf füllte.
    Alles fing vor ungefähr einem Jahr an … Und zum zweiten Mal

Weitere Kostenlose Bücher