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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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er fest, »habe ich das Gefühl, gar nicht mehr gefragt zu werden.«
    »Ist Euch das unangenehm?«, fragte ich, die Brauen in einer Imitation von Großmutters Stil hochgezogen.
    »Das habe ich nicht behauptet.«
    Ich frühstückte, dann machte ich mich mit Nadel und Faden an die Arbeit. Es war ganz gut, dass meine Großmutter mir beigebracht hatte, wie man näht. Die Qualität hätte sie vielleicht nicht zufriedengestellt, aber zumindest war ich im Stande, den Anschein häuslicher Fähigkeiten zu vermitteln. Das Licht war gut. Dieser Mann hatte von weißer Haut und rotem Haar gesprochen, als gefiele ihm beides gut. Ich setzte mich genau dort hin, wo die Wintersonne auf meine bleichen Wangen fiel; ich wusste, ihre Strahlen würden die Flammen meines Haars einfangen und es noch heller leuchten lassen. Ich konzentrierte mich auf meine Arbeit, und meine Finger bewegten sich fleißig. Ich wusste ohne hinzusehen, dass Eamonns Blick häufiger auf mir ruhte als auf den Dokumenten, die vor ihm lagen.
    Die Zeit verging in vollkommenem Schweigen. Nur zu bald zog die Sonne am Himmel weiter, und das beste Licht war verschwunden. Es war nicht mehr allzu lange bis Mittwinter. Einen Augenblick lang gestattete ich mir, an Darragh zu denken und an Aoife, die ihn wieder nach Westen tragen würde, all die vielen Meilen nach Caenn na Mara. Er würde zu O'Flaherty zurückkehren, sich dort niederlassen, und vielleicht würde er ja Orla heiraten und eine ganze Bande kleiner dunkelhaariger Söhne und hübscher blauäugiger Töchter aufziehen. Alle würden schwimmen können wie Fische und reiten, als wären sie im Sattel zur Welt gekommen. Wenn seine Schwester ihren Aidan heiratete, würden die beiden ganz in der Nähe wohnen. Ihr Leben würde schlicht und glücklich und sinnvoll sein. Darragh würde lange genug leben, um zu sehen, wie seine Kinder aufwuchsen.
    »Fainne?«
    Ich zuckte zusammen, als hätte man mich geschlagen, und riss mich von diesen gefährlichen Gedanken los. Das durfte ich nicht noch einmal tun. Ich musste mich konzentrieren.
    »Hm?«, sagte ich, band den Faden mit einem ordentlichen, kleinen Knoten und biss das Ende ab.
    »Ich … nichts. Wirklich nichts.«
    »Ihr habt gegen die Regeln verstoßen«, sagte ich leichthin und faltete meine Näharbeit zusammen. »Wir wollten doch nicht reden. Aber ich bin mit dieser Arbeit ohnehin fertig, und vielleicht sollte ich gehen.«
    »Bleib. Ich finde es angenehm, wenn du so still dasitzt, während ich arbeite. Es ist seltsam, aber auf gewisse Weise angemessen. Ich habe immer – ich habe immer geträumt, dass es so sein würde, mit … ich habe mir vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich verheiratet wäre. Ich hatte dieses Bild im Kopf, wie ich nach Sidhe Dubh nach Hause reite und – nein, das ist ungehörig. Ich sollte darüber mit dir nicht sprechen.«
    »Sagt es mir«, bat ich leise.
    Er stand auf und kam zu mir, stellte sich neben mich und starrte aus dem hohen, schmalen Fenster auf die Winterlandschaft hinaus: kahle Ulmen, ein umgegrabener Garten, der auf den Frühling wartete.
    »Du wirst mich für dumm halten«, sagte er. »Und für weich.«
    »Nein, das werde ich nicht tun, Eamonn. Ich werde kein Urteil über Euch fällen.«
    Er sah auf mich herab, die Miene ausdruckslos. »Damals dachte ich, ich würde heiraten und Söhne zeugen, wie es jeder Mann tut. Etwa um diese Zeit begegnete ich zum ersten Mal dem Bemalten Mann, diesem Ausbund des Bösen, der mich mein Leben lang quälen sollte. Damals wusste ich noch nicht, dass er mir alles nehmen würde, was mir teuer war; sogar sämtliche Hoffnung auf die Zukunft, um sie für sich selbst zu nehmen. Dennoch, ich glaubte immer noch, dass mein Leben wie das anderer Männer sein würde. Und als ich den finsteren Einfluss dieses Mannes spürte, sah ich ein kleines Bild, das mir für immer erhalten bleiben würde: meine Frau, wie sie in der Tür von Sidhe Dubh steht, mit meinem Kind auf den Armen. Es gab mir Hoffnung, dass die Dinge so sein würden, wie sie sein sollten.«
    Ich schwieg.
    »Dumme Gedanken für einen alten Mann«, stellte Eamonn verbittert fest. »Das denkst du wahrscheinlich.«
    »Es war selbstverständlich Liadan, die Ihr gesehen habt.«
    »Selbstverständlich. Aber er hat sie mir genommen. Es waren seine Söhne, die sie zur Welt brachte. Ihre Söhne hätten meine sein können.«
    Das schien eine sehr ungewöhnliche Bemerkung zu sein, so ungewöhnlich, dass ich kaum wusste, wie ich reagieren sollte.
    »Wir hatten

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