Das Kind der Stürme
die kleinen Mädchen meine Wachsamkeit erschöpften und einen Platz in meinem Herzen fanden. Ich hätte mich schon die ganze Zeit schützen sollen, statt einem Druiden oder den Geschichten jener zuzuhören, die sich die Alten nennen.
Es gab eine Strategie, der ich folgen musste, und der erste Schritt führte zu Eamonn. Es war gar nicht so schwierig, sagte ich mir, als ich mich wusch, mich mit erheblicher Aufmerksamkeit für Einzelheiten ankleidete und schließlich meinem geisterhaft bleichen Gesicht und den eingesunkenen Augen im Spiegel einen erbosten Blick zuwarf. Zumindest mochte ich ihn nicht, dachte ich, als ich mein Haar hundertmal fest bürstete, flocht und aufsteckte, so dass ich älter aussah, mindestens wie siebzehn. Es ging nur darum, mich daran zu erinnern, was zu tun war und warum ich es tat. Ich musste an Großmutters Stimme denken, die sagte: Es kann durchaus sein, dass er für sein bisschen billiges Gepäck unterwegs umgebracht wird. Ich würde daran denken und dann mit der sicheren Hand einer Zauberin tun, was sie wollte.
Ich ging nach draußen, denn ich wusste, dass es schon spät war und man Fragen stellen würde, nachdem ich zwei Tage hintereinander nicht gleich früh am Morgen aufgetaucht wäre. Ich war müde und fror, und ich war von blauen Flecken bedeckt. Ich sah nicht aus wie jemand, der einen ganzen Tag und eine Nacht Ruhe gehabt hatte. Ein wenig bleich zu sein war eine Sache, vollkommene Erschöpfung etwas anderes. Zumindest war ich sauber und ordentlich. Und ich würde den Verwandlungszauber nicht benutzen. Wenn ich das hier schon tun musste, dann als ich selbst.
Ich hatte Glück. Die Mädchen waren nirgendwo zu sehen, und ich fand Eamonn allein in einem Vorzimmer, in das durch hohe, schmale Fenster das kalte Sonnenlicht dieses Wintermorgens fiel. Er saß an einem Schreibtisch und versuchte angestrengt, die winzig kleine Schrift auf einem Dokument zu entziffern. Ich blieb in der Tür stehen und beobachtete ihn. Im gnadenlosen Morgenlicht sah sein Gesicht abgehärmt und faltig aus. Ich bemerkte, dass sein braunes Haar an den Schläfen schon ein wenig grau war, und erinnerte mich, dass ich lernen musste, Menschen als Spielfiguren zu betrachten, nicht mehr und nicht weniger. Ich gab keinen Laut von mir, aber plötzlich war er aufmerksam geworden und sprang auf, beinahe als wollte er sich gegen einen Feind schützen.
»Guten Morgen«, sagte ich höflich. »Es tut mir Leid, wenn ich Euch erschreckt habe.«
»Nicht im Geringsten.« Er erholte sich rasch und kam auf mich zu, um mich zu einer Bank an dem kleinen Feuer zu führen. Es war tödlich kalt; die Wandteppiche bewegten sich in der Zugluft. Ich konnte ein Schaudern nicht unterdrücken.
»Komm, setz dich hierher«, sagte Eamonn. »Es geht dir offenbar immer noch nicht gut. Hast du schon etwas gegessen?«
Ich schüttelte den Kopf, und sofort rief er eine Dienerin und gab ihr Befehle, und dann brachte man mir Brot und kaltes Geflügel und einen Krug Bier auf einem Tablett. Eamonn schickte die Frau wieder weg und schloss die Tür.
»Bitte«, sagte ich, »ich habe Euch bei der Arbeit gestört. Bitte macht weiter, ignoriert mich einfach. Ich werde ganz still sein. Wenn Ihr wollt, kann ich das hier auch woandershin bringen. Ich hatte nicht vor –«
Eamonn lächelte grimmig. »Nicht im Geringsten. Ich kam mit dieser Sache ohnehin kaum voran; diese Arbeit sagt mir nicht zu, und ich kann mich heute nicht konzentrieren. Jede Unterbrechung ist willkommen. Außerdem wollte ich sowieso eine Dienerin vorbeischicken und fragen lassen, wie es dir geht. Hier, lass mich das für dich eingießen.«
Ich wartete schweigend, während er Bier eingoss, und dachte dabei an Darraghs Hände, die sich warm um meine eigenen geschlossen hatten, erinnerte mich daran, wie er mich gefüttert hatte wie ein Kind.
»Da«, sagte Eamonn. »Ich habe mir Sorgen gemacht, Fainne. Wir hatten gestern nicht das Vergnügen deiner Gesellschaft.«
»Wie Ihr seht, geht es mir jetzt wieder sehr gut.« Ich trank das Bier und zerkrümelte das Brot zwischen den Fingern.
»Ich …« Eamonn war ungewöhnlich zögerlich. »Ich habe mich gefragt, ob dein Unwohlsein das Ergebnis … ich dachte, ich hätte dich vielleicht beleidigt oder verärgert. Mein Verhalten war nicht ganz angemessen, das ist mir klar.«
Ich blickte zu ihm auf.
»Es war weniger Euer Verhalten als … es war, was Ihr gesagt habt. Ich war – ich war ein wenig aufgebracht, das ist wahr. Aber wie Ihr seht,
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