Das Kind der Stürme
und dann war es gar nicht mehr so schwer weiterzumachen.
Ich verbrachte ein wenig Zeit mit den Mädchen. Sie waren ungewöhnlich ruhig und zurückhaltend; Eilis zeigte mir ihre Näharbeit, die Zwillinge hockten auf dem Teppich vor meinem Feuer, und Sibeal saß am Fenster, so still und schweigend, als wäre sie aus einem Stein gemeißelt.
»Sehr gut, Eilis«, sagte ich. »Deine Mutter wäre stolz auf dich. Es tut mir Leid, dass ich dir gestern damit nicht helfen konnte. Ich bin krank gewesen.«
»Ich habe ihr geholfen«, erklärte Deirdre mit einem Hauch Selbstzufriedenheit. »Du hast dich ja den ganzen Tag eingeschlossen. Du bist nicht mal an die Tür gekommen, als wir geklopft haben. Was ist mit dir los?«
»Sehr schlimme Kopfschmerzen. Aber jetzt geht es mir besser.«
»Du siehst aber nicht besser aus«, stellte Clodagh fest. »Du bist ganz blass und hast Ringe unter den Augen. Wir dachten schon, du hättest dich vielleicht mit Onkel Eamonn gestritten.«
»Onkel Eamonn hatte wirklich schlechte Laune«, sagte Deirdre.
Ich antwortete nicht. Es war besser, wenn ich in Zukunft weniger Zeit mit ihnen verbrachte. Besser, mich so schnell wie möglich zurückzuziehen, selbst wenn es ihnen wehtat. Ihnen nahe zu bleiben bedeutete, sie in Gefahr zu bringen. Außerdem wurden sie langsam zu schlau, wenn es darum ging, Dinge herauszufinden.
»Du hast ihn verpasst«, sagte Clodagh in das Schweigen hinein. »Darragh. Er war hier, und du hast ihn verpasst.«
»Das habe ich schon gehört«, erklärte ich angespannt.
»Wir hätten nie gedacht, dass es ihn wirklich gibt.« Deirdre lag auf dem Boden, den Kopf auf die Hand gestützt, und schaute zu mir auf, während ich neben Eilis auf dem Bett saß. »Er und das weiße Pony. Ich dachte nicht, dass es sie wirklich gibt. Ich dachte, sie wären nur ein Junge und ein Pony in einer Geschichte, die Abenteuer erleben. Aber es gibt sie. Er hat uns Aoife streicheln lassen.«
»Er sagte, er wäre in Sevenwaters gewesen, und dann musste er wieder gehen. Wusstest du, dass er Maeve gesehen hat? Er sagt, es ginge ihr besser.« Clodagh hielt einen Zweig ins Feuer und sah zu, wie er Feuer fing. »Können wir jetzt nach Hause gehen, Fainne?«
Plötzlich war es sehr still. Alle vier sahen mich angespannt an.
»Bald«, erwiderte ich. »Sehr bald. Ich muss erst mit eurem Onkel Eamonn sprechen. Wenn ihr wollt, werde ich ihn fragen, was er davon hält.«
Clodagh warf Deirdre einen Blick zu, und eine unausgesprochene Botschaft wurde zwischen ihnen ausgetauscht.
»Er wird Nein sagen«, sagte Clodagh. »Er wird wollen, dass du in Glencarnagh bleibst. Und ohne uns könntest du kaum bleiben. Du hättest ihn gestern sehen sollen, als Darragh hier war. Er war so wütend!«
»Darragh war nett«, stellte Eilis fest. »Ich durfte dem Pony eine Möhre geben. Er hat es erlaubt.«
»Stört es dich denn nicht?«, fragte Clodagh mich, »dass du ihn verpasst hast?«
Ich holte tief Luft. »Es war wirklich eine Schande«, sagte ich so ruhig ich konnte. »Aber es ging mir nicht gut genug, mit irgendjemandem zu sprechen, nicht einmal mit einem alten Freund. Euer Onkel Eamonn hat das Richtige getan.«
Ich konnte spüren, wie Sibeal mich beobachtete, obwohl sie sich hinter mir befand. Aber sie schwieg.
»Wenn du meinst«, erklärte Clodagh vollkommen ungläubig.
Als sie endlich weg waren, versuchte ich mich auszuruhen, aber es war unmöglich. Ich begriff, dass die schönen Visionen, die ich gehabt hatte, als ich an dem kleinen Feuer lag, mit Darraghs Arm um meine Taille und seiner Wärme in meinem Rücken, die letzten guten Träume gewesen waren, die ich je haben würde. Nun drängten sich mir, sobald ich in den Schlaf fiel, andere Bilder auf: meine Mutter, die von einem Sims sprang und stürzte, ihr helles Haar vom Wind gepeitscht, die Felsen unter ihr erwartungsvoll auf eine letzte, gnadenlose Umarmung wartend; mein Vater, kreidebleich und hustend; Darragh, am Straßenrand liegend mit einem Messer im Rücken und Aoife, die ihn sanft mit der Schnauze schubste, die treuen Augen verstört, weil er nicht aufwachen wollte. Und später kamen noch mehr Bilder, die mir von anderen Dingen erzählten, die vielleicht geschehen würden. Ein Mädchen, das schluchzte und schluchzte, die Augen fest geschlossen; Tränen strömten ihr über die Wangen, die Nase lief, der Mund war angestrengt verzogen. An ihren dunkelroten Locken und der hellen Haut sah ich, dass es um mich selbst ging, als hätte ich es zuvor noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher