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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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dickes Zauberbuch, dessen Ledereinband von den Jahren und der häufigen Benutzung dunkel geworden war. In diesem Zimmer verbrachte mein Vater Tage und Nächte allein, vervollkommnete seine Studien und lernte ohne Unterlass.
    Ich konnte mehr als eine Sprache lesen und mehr als eine Schriftart schreiben. Ich konnte viele, viele Geschichten erzählen und beherrschte noch mehr Zaubersprüche. Aber ich erfuhr schon bald, dass die größte Magie nicht in einem Buch niedergeschrieben oder auf einer Schriftrolle festgehalten ist. Die machtvollsten Zauber entstehen nicht durch magische Gesten, das Mischen von Tränken und Tinkturen oder die Rezitation uralter Worte. Ich erfuhr, warum Vater, wenn er am schwersten arbeitete, äußerlich reglos inmitten eines leeren Zimmers stand, den Blick der rötlichbraunen Augen ins Nichts gerichtet: Die tiefste Magie ist die des Geistes, und die findet man nicht auf Pergament oder Papyrus niedergeschrieben und nicht in Rinde oder Stein gekratzt. Nirgendwo. Vater verdankte dieses Wissen den Weisen, den Druiden des Waldes. Er hatte es durch Entschlossenheit und intensive Studien weiterentwickelt. Aber die Begabung zur Zauberei lag uns auch im Blut. Vater war der Sohn einer großen Zauberin, und von ihr hatte er bestimmte Dinge gelernt, die er sparsam einsetzte, da sie ebenso mächtig wie gefährlich waren. Man musste aufpassen, sagte er, sich nicht zu weit vorzuwagen und dann vielleicht finstere Dinge zu berühren, die lieber unberührt bleiben sollten.
    Ich konnte mich nicht sehr gut an meine Großmutter erinnern. Mit dem Gedanken an sie kam nur das Abbild einer eleganten Frau in einem blauen Gewand, die mir in die Augen gesehen und mir damit Kopfschmerzen verursacht hatte. Vielleicht hatte sie Fragen gestellt, die ich trotzig beantwortet hatte, weil es mir nicht gefiel, dass sie in unser geordnetes Heim eindrang. Aber das war vor langer Zeit gewesen, als ich noch sehr klein gewesen war. Vater sprach selten von ihr, außer, wenn er erklärte, dass unser Blut von ihrer Seite her einen Makel hatte, da sie von einer Reihe von Zauberern abstammte, die nicht begriffen hatten, dass bestimmte Grenzen nicht überschritten werden durften. Und dennoch, sagte Vater, war sie mächtig, subtil und schlau, und sie war meine Großmutter; ein Teil von ihr lebte in uns beiden, und das durften wir nicht vergessen. Diesem Erbe war es zuzuschreiben, dass wir nie so leben würden wie gewöhnliche Menschen, mit Freunden und einer Familie und ehrlicher Arbeit. Es verlieh uns auch außergewöhnliche Begabung und lenkte unsere Schritte auf ein finsteres Schicksal zu.
    ***
    Ich war acht Jahre alt. Es war Meán Geimrhidh, und der Nordwind drosch auf die verkrüppelten Bäume ein, bis sie beinahe am Boden lagen. Er schleuderte die Wellen gegen die Steilwand und zwang eisige Gischt tief in die Höhlen der Honigwabe. Der Kiesstrand war von wirren Algen und zerbrochenen Muscheln übersät. Die Fischer zogen ihre Boote hoch auf den Strand hinauf, und die Menschen hungerten.
    »Konzentriere dich, Fainne«, sagte mein Vater, wenn meine vor Kälte starren Finger ungeschickter wurden. »Benutze den Geist, nicht die Hände.«
    Ich biss die Zähne zusammen, kniff die Augen zu und fing wieder von vorne an. Es war ein Kunstgriff, mehr nicht. Es hätte einfach sein sollen. Streck die Arme aus, sieh die schimmernde Glaskugel an, die dort auf dem Regal an der Wand liegt und in deren täuschender Oberfläche sich das Licht der Kerzen spiegelt. Überbrücke die Kluft mit deinem Geist; denke die Entfernung, denke den Sprung. Bleib ruhig. Lass die Kugel die Arbeit machen. Wünsch dir die Kugel in die Hände. Wünsche sie zu dir. Komm. Komm her. Komm zu mir, zerbrechlich und zart, rund und hübsch, komm in meine Hände. Es war kalt, meine Finger taten weh – es war so kalt! Ich konnte hören, wie die Wellen sich draußen brachen. Ich konnte hören, wie die Glaskugel am Boden zerbrach. Ich ließ die Arme sinken.
    »Nun gut«, sagte Vater ruhig. »Hol einen Besen und fege die Scherben auf. Und dann sagst du mir, wieso es nicht funktioniert hat.« In seiner Stimme lag kein Tadel. Wie immer wollte er, dass ich mich selbst beurteilte. So würde ich schneller lernen.
    »Ich – ich habe an etwas anderes gedacht«, sagte ich und bückte mich, um die größeren Scherben aufzuheben. »Ich habe zugelassen, dass die Verbindung abbrach. Es tut mir Leid, Vater. Ich kann es wirklich. Beim nächsten Mal werde ich es schaffen.«
    »Ich weiß«, sagte

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