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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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zurückhalten. Aber sie konnte ihm auch nicht erlauben weiterzumachen. Er war näher gekommen und hatte ein Messer gezogen. Unter den Zuschauern vernahm sie ein leises, fast feines Rascheln der Erwartung, die meisten von ihnen waren aus Eridu. Von ihnen konnte man kein Mitleid erwarten.
    Sie drehte den Ring wieder auf die Außenseite ihrer Hand und warf ihren Arm hoch in die Luft.
    »Tu ihm nichts zuleide!« schrie sie, so streng sie nur konnte. »Ich bin die Seherin von Brennin, ich trage den Baelrath auf meiner Hand und einen Vellinstein, das Geschenk eines Magiers, um mein Handgelenk!«
    Sie war aber auch höllisch schwach und spürte einen qualvollen Schmerz in ihrer Seite, sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wie sie sie von ihrem Vorhaben abhalten konnte.
    Ceriog schien dies zu ahnen, vielleicht hatte ihn auch die Anwesenheit des Zwerges so aufgestachelt, dass bei ihm keine Abschreckung mehr verfing. Er lächelte dünn durch seine Tätowierungen und seinen dunklen Bart.
    »Das gefällt mir«, sagte er und blickte auf den Baelrath. »Ein hübsches Spielzeug für die Stunden, die uns noch bleiben, bevor der Regen nach Westen kommt und wir alle schwarz werden und sterben. Aber zuerst«, murmelte er, »will ich den Zwerg ganz langsam töten, und du wirst zuschauen.«
    Sie würde ihn nicht aufhalten können. Sie war eine Seherin, eine Botin, eine Sturmkrähe auf den Winden des Krieges. Sie konnte Macht erwecken und sammeln, und manchmal konnte sie rot aufflammen und zwischen Orten und Welten fliegen, um dies zu tun. Sie hatte zwei Seelen in sich und sie trug die Bürde des Baelrath auf ihrem Finger und in ihrem Herzen. Aber sie war außerstande, einen Mann mit einem gezogenen Messer aufzuhalten, und schon gar nicht fünfzig von ihnen, die aus Kummer, Wut und angesichts des nahenden Todes fast wahnsinnig waren.
    Brock stöhnte. Kim spürte, wie sein Lebensblut durch ihre Kleider sickerte, während sie seinen Kopf auf ihrem Schoß hielt.
    Sie starrte hinauf zu Ceriog und versuchte es ein letztes Mal.
    »Hör mir zu …«, begann sie.
    »Und du schaust zu«, wiederholte er, ohne sie zu beachten.
    »Ich glaube nicht«, warf Dalreidan ein. »Lass sie in Ruhe, Ceriog.« Der Eridu fuhr herum. Ein verklärter Schimmer von Vergnügen erschien auf seinem dunklen Gesicht.
    »Du willst mich aufhalten, alter Mann?«
    »Das sollte nicht nötig sein«, erwiderte Dalreidan ruhig. »Du bist kein Dummkopf. Du hast ihre Worte vernommen, sie ist die Seherin von Brennin. Mit wessen Hilfe und wie sonst können wir aufhalten, was da kommt?«
    Der andere Mann schien ihn kaum gehört zu haben. »Für einen Zwerg?« schnarrte er. »Du würdest jetzt für einen Zwerg eintreten?« Seine Stimme kletterte mit wachsender Ungläubigkeit immer höher. »Dalreidan, das ist das erste Mal seit langer Zeit, dass so etwas zwischen uns aufkommt.«
    »Das müsste nicht sein. Handle vernünftig. Mir geht es nicht um die Führung, Ceriog. Sondern nur darum …«
    »Nur darum, dem Führer zu sagen, was er zu tun hat und was nicht!« unterbrach ihn Ceriog bösartig. Ein eisiger Augenblick der Ruhe, und dann peitschte Ceriogs Arm nach vorne, und sein Dolch flog – über die Schulter von Dalreidan. Dieser hatte sich gebückt, abgerollt und war schon wieder auf den Beinen. Das war eine Bewegung, die im Lauf der letzten tausend Jahre immer wieder in der Ebene geübt wurde. Niemand hatte gesehen, wie Dalreidan sein eigenes Messer zückte, niemand hatte gesehen, wie er es warf. Sie sahen es erst, als es in Ceriogs Herz eingedrungen war. Und als einen Augenblick später der Schock vorüber war, sahen sie auch, dass der tote Mann aus Eridu lächelte, als ob er von einem überwältigenden Schmerz erlöst worden sei.
    Mit einemmal wurde Kim dieses Schweigen bewusst. Die Sonne oben am Himmel, die Finger im Windhauch, das Gewicht von Brocks Kopf in ihrem Schoß …
    Einzelne Eindrücke von Zeit und Raum, die durch die Explosion von Gewalt unnatürlich lebhaft geworden waren.
    Diese Gewalt war gekommen und gegangen und ließ fünfzig Menschen auf diesem Hochplateau in dieser Stille zurück.
    Dalreidan ging hinüber, um seinen Dolch zu holen. Seine Schritte klangen laut auf dem Felsen. Niemand sprach. Dalreidan kniete nieder, zog den Dolch heraus und reinigte ihn am Ärmel des Toten vom Blut. Langsam stand er wieder auf und blickte wieder in die Runde.
    »Er hat zuerst geworfen«, stellte er fest.
    Bewegung kam unter die Männer, die Anspannung löste sich, es war,

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