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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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ausgehalten, mal sehen, was sie zu der mehr als doppelten Belastung sagte. »Wir haben nur eine Lampe, und irgendjemand muss Hilfe holen, wenn wir in zwei Minuten nicht wieder oben sind.« Das morsche Holz knackte bei jedem Schritt wie die Takelage eines Segelbootes bei leichtem Wellengang. Stern war sich nicht sicher, ob sein Gleichgewichtssinn ihm einen Streich spielte oder ob das Geländer wirklich immer mehr schwankte, je weiter er hinabstieg.
»Simon?«, rief er bestimmt zum fünften Mal, doch als Antwort hörte er es nur in einiger Entfernung metallisch klirren. So, als würde der Junge mit einem Schraubenzieher gegen ein Heizungsrohr schlagen.
Wenig später stand er mit pochendem Herzen am Fuße der Treppe und schaute sich um. Die Dunkelheit draußen war jetzt so tief, dass er oben von Carina nicht einmal mehr die Umrisse ausmachen konnte. Er leuchtete nach rechts in den Kellervorraum, der sich in zwei Gänge aufteilte. In beiden stand brackiges Schlammwasser etwa fünf Zentimeter hoch.
Kaum zu glauben, dass der Junge sich freiwillig in diesen In dustriesumpf hineintraut . Stern wählte den linken Gang, da
bei dem anderen schon nach wenigen Metern ein umgekippter Sicherungskasten den Weg versperrte. »Wo bist du?«, fragte er, während das kalte Wasser mit eisiger Hand seine Knöchel umschloss.
Simon antwortete wieder nicht, gab aber wenigstens ein Lebenszeichen von sich. Er hustete. Nur wenige Schritte von Stern entfernt. Trotzdem konnte Robert ihn nicht mit seiner Lampe erfassen.
Ich werde mir noch den Tod holen, dachte er, während er spürte, wie seine Hosenbeine die Nässe löschblattartig nach oben sogen. Sein Handy klingelte, als er etwa zehn Meter vor sich eine Holzwand ausmachte.
»Wo ist er?«, fragte Carina mit jetzt schon fast hysterischer Stimme.
»Keine Ahnung. Ich glaube, im Nebengang.« »Was sagt er denn?«
»Nichts. Er hustet.«
»O mein Gott, hol ihn da raus!« Carinas Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Was glaubst du, was ich gerade vorhabe?«, raunzte er sie an.
»Du verstehst nicht. Der Tumor. Das passiert, wenn es wieder so weit ist.«
»Was meinst du damit? Was passiert?«
Stern hörte erneut Simon husten. Dieses Mal noch näher als zuvor.
»Bronchialkrämpfe gehen der Ohnmacht voraus. Er wird bald bewusstlos«, schrie Carina so laut, dass er sie gleichzeitig von draußen und über das Handy hören konnte. Und er wird mit dem Kopf ins Wasser fallen. Und ersticken.
So wie …
Stern rannte los und übersah in der anschwellenden Panik den schwarzen Holzbalken, der völlig verkohlt und dadurch wie unsichtbar von der Decke hing. Sein Kopf schlug mit voller Wucht dagegen. Weitaus größer als der Schmerz war jedoch der Schreck. Stern dachte, er würde angegriffen, und riss zur Verteidigung beide Arme nach oben. Als er seinen Irrtum bemerkte, war es schon zu spät. Die Taschenlampe
fl ackerte noch zwei Sekunden unter Wasser, dann erstarb das Licht an der Stelle, wo er sie fallen gelassen hatte. »Verdammt!« Er streckte seine Finger nach rechts, um die Kellerwand zu berühren. Dann tastete er sich Schritt für Schritt vorwärts, immer darauf bedacht, hier unten in der Dunkelheit die Orientierung nicht zu verlieren. Aber momentan stellte das seine kleinste Sorge dar, schließlich war er bislang ja nur geradeaus gegangen. Viel mehr machte ihm zu schaffen, dass Simon jetzt noch nicht einmal mehr hustete.
»Hey, bist du noch da?«, brüllte er, und plötzlich knackte es in seinem Ohr. Wie ein Flugzeugpassagier beim Landeanfl ug musste er mehrfach schlucken, um den Druck von seinem Trommelfell zu nehmen. Dann hörte er es wieder leise röcheln. Vorne. Hinter der Holzwand, etwa zehn Meter, und dann um die Ecke. Er musste dorthin. In den Nebengang. Zu Simon. Seine Schritte wurden durch das Wasser gebremst, doch er besaß leider genug Tempo, um die unheilvolle Kettenreaktion auszulösen.
»Simon, kannst du mich … Hilfeeeee!«
Mit seinem letzten Wort riss es ihn in die Tiefe. Sein Fuß hatte sich in einem alten Telefonkabel verheddert, das wie eine Wildschweinfalle in dem stinkenden Brackwasser eine Schlinge gezogen hatte. Stern versuchte noch, mit seinen Fingern in dem feuchten Mörtel der Wand irgendeinen Halt zu fi nden, doch er brach sich dabei nur zwei Nägel ab, bevor er nach vorne schlug.
Beim Aufprall registrierte er, dass er offenbar am Ende des Kellerganges angelangt sein musste, denn er fi el nicht ins Wasser, sondern seine Hände stemmten sich gegen eine nachgiebige

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