Das Kinder-Gesundheitsbuch
Schmerzen in der Speiseröhre, schlechten Geschmack im Mund, vor allem aber durch das Verheimlichen und das Verstecken spielen müssen.
WICHTIG
Achten Sie als Eltern auf die folgenden Warnzeichen . Sie können ein Hinweis auf eine Ess-Störung sein:
Ihr Kind wird zunehmend dünner.
Es thematisiert und praktiziert häufig Diäten.
Es findet sich »zu dick«, obwohl es normal- oder sogar untergewichtig ist.
Der Kühlschrank ist häufiger leer geräumt.
Es hält sich nach dem Essen auffällig lange auf der Toilette auf.
Sie finden Abführmittel oder harntreibende Medikamente.
Ihr Kind treibt plötzlich wie verbissen Sport, um abzunehmen.
Ihr Kind bekocht gern andere, isst aber selbst nicht mit.
Aus ganzheitlicher Sicht
Magersucht und Bulimie sind Suchterkrankungen. Wird man zum ersten Mal damit konfrontiert, unterschätzt man meist den echten Suchtcharakter. »Wenn ich ihr einmal richtig erkläre, wie unvernünftig das ist, wird sie es doch einsehen« – das ist oft die erste Reaktion, doch schnell wird man eines Besseren belehrt. Erklärungen helfen wenig. Nicht, weil die Betroffenen diese nicht verstehen würden. Meist handelt es sich ja um hochintelligente weibliche Jugendliche, besonders bei der Magersucht. Die Erklärungen auf geistiger Ebene sind fruchtlos, weil der eigene Körper den Patientinnen fremd geworden ist. Er wird nicht mehr richtig wahrgenommen und trotz Untergewicht als zu dick empfunden – die Fachleute sprechen deshalb von einer »Körperschemastörung«. Das Seelisch-Geistige ist bei einer Ess-Störung nicht mehr richtig im eigenen Körper zuhause, was sich daran zeigt, dass das Mädchen auffallend blass ist, viel friert und ihm zunehmend Energie fehlt. Dieser Zustand setzt den Körper so unter Stress, sogar Dauerstress, dass er die Kortisonwerte erhöht, mit allen fatalen Folgen. So kann es zum Beispiel zu verfrühter Osteoporose kommen, bei der die Knochen brüchig werden, oder im schlimmsten Fall zu Schrumpfungserscheinungen der Gehirnmasse.
Der seelisch zunehmend »unbewohnte« Körper gewöhnt sich immer stärker an die krankhaften Verhaltensweisen wie zu wenig Essen durch zwanghaftes Wiegen, Kalorienzählen und Zerpflücken der Nahrung auf dem Teller. Ein erster wichtiger therapeutischer Schritt besteht also darin, sich die krankhaften Gewohnheiten allmählich in ganz kleinen Schritten abzugewöhnen. Das geht nicht über die Vernunft der Betroffenen, die den eigenen Körper ja nicht mehr erreicht, sondern nur durch stetiges Üben in einer liebevollen Umgebung, die gleichzeitig strukturiert und den krankhaften Gewohnheiten gegenüber kompromisslos ist. Das kann das eigene Elternhaus sein oder durch Unterstützung von außen werden. Oft ist aber die Hilfe durch eine therapeutische Einrichtung notwendig und erfolgversprechender.
Die Ursachen für eine Ess-Störung können sehr vielfältig sein und es wäre falsch, vorschnell zu verurteilen. Vor allem Mütter werden leider oft zu unrecht als Auslöser gebrandmarkt. Eine der zahlreichen Ursachen kann zu wenig Selbstvertrauen gekoppelt mit starker Leistungsorientiertheit sein und dem Wunsch nach mehr Selbstbestimmung – und wenn es nur dem eigenen Körper gegenüber ist. Aber genauso gut kommt ein tiefer Kummer über den Verlust eines nahe stehenden Menschen in Betracht – das kann ein Todesfall, aber auch eine anstehende oder vollzogene Trennung der Eltern sein.
Nicht zu vergessen die ehrgeizigen und krankhaften Schönheitsideale, die uns in den Medien suggeriert werden, das so genannte »Barbiepuppen-Ideal«. Aber auch eine subtile Anklage gegen den Materialismus unserer Wohlstands-Gesellschaft kann sich dahinter verbergen. Es gibt wohl kaum eine größere Provokation, als in einer Wohlstandsgesellschaft vor vollen Tellern öffentlich zu verhungern.
Gleich welche Ursache vorliegt, der Lösungsversuch der Essgestörten, immer weniger zu essen oder nach Fressanfällen alles zu erbrechen, ist immer der falsche. Denn die krankhaften Gewohnheiten bekommen eine Eigendynamik und der eigentliche Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und Selbstbestimmung wird gerade dadurch nicht erfüllt.
Je nach körperlicher, aber auch seelischer Konstitution beginnt die Sucht – in dem Wort Sucht steckt der Begriff »Suche« – entweder mehr als Mager- oder als Fress-Sucht:
Jugendliche mit Magersucht sind häufig perfektionistisch und neigen zum Messen und Wiegen. Dagegen wirken Betroffene mit Bulimie eher impulsiv, neigen zum Maßlosen und Extremen.
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