Das Kinder-Gesundheitsbuch

Faktoren spielen eine Rolle. Manchmal begünstigt auch eine zu frühe und rigide Sauberkeitserziehung das Einnässen.
    Nässt ein Kind erneut ein, obwohl es bereits über ein halbes Jahr »sauber« war, ist das meist eine psychische Reaktion auf Ereignisse in seinem Umfeld. Möglicherweise ist ein Geschwisterkind zur Welt gekommen, oder das Kind hat Probleme im Kindergarten oder in der Schule. Manchmal reagiert es damit auch auf Konflikte zwischen den Eltern. Aber auch das Einnässen selbst verursacht seelische Belastungen, etwa weil sich das Kind dafür schämt oder geschimpft wird.
    Aus ganzheitlicher Sicht
    So wie beim Stuhlgang, lernt das Kind auch beim Urinabsetzen erst im Laufe der ersten Lebensjahre die Ausscheidung bewusst und willkürlich zu steuern. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, etwas bewusst und willkürlich bei sich behalten zu können. Die Fähigkeit des »Behalten-Könnens« reift sowohl auf leiblicher Ebene als auch im Seelischen – nicht umsonst beginnt die Schule in der Regel erst im Alter von sechs bis sieben Jahren. Ab diesem Zeitpunkt kann das Kind etwas bewusst zurückhalten bzw. nach Ansprache und Aufforderung willentlich wieder von sich geben. Die zunehmende Reifung und Bewusstwerdung vollzieht sich also sowohl im seelischen Bereich als auch auf körperlicher Ebene.
    Dabei spielt der Tag-Nacht-Rhythmus eine wichtige Rolle: Tagsüber ergreift das Seelisch-Geistige des Kindes den Körper intensiver. Es kommt zum Wachbewusstsein, zu willkürlichen Bewegungen und zu Ausscheidungsvorgängen.
    Wie stark das Aktivwerden des Seelischen im Körperlichen allein mit dem Harndrang verbunden ist, weiß jeder, der bei Aufregung, Angst oder Zeitdruck schon einmal gespürt hat, wie dringend er plötzlich »mal muss«.
    Nachts löst sich das Seelisch-Geistige wieder etwas vom Körper, dieser gerät wieder mehr unter den alleinigen Einfluss der Schwerkraft, die willkürlichen Bewegungen bleiben aus und die Ausscheidungsprozesse lassen im gesunden Zustand nach.
    Beim nächtlichen Einnässen nach der Einschulung liegt oft ein latent gestörter Tag-Nacht-Rhythmus vor – dass was am Tag geschehen sollte, geschieht zeitversetzt in der Nacht. Der gestörte Rhythmus lässt sich auch auf hormoneller Ebene nachweisen: Das A nti- D iuretische- H ormon (ADH), das den Wasserhaushalt reguliert, wird nachts zu wenig gebildet. Wie bei den Schlafstörungen ausgeführt, ist es wichtig, Sinneseindrücke tagsüber seelisch richtig zu verdauen. Gelingt dies nicht, schläft das Kind zwar fest und kann oft kaum geweckt werden, die Nachwirkungen des seelisch Unverdauten zeigen sich aber an der nächtlichen Urinausscheidung, die nicht bewusst wahrgenommen wird.
    Mit Blick auf den Tag-Nacht-Rhythmus ist noch ein anderer Zusammenhang wichtig. Interessant ist nämlich die Beobachtung, dass viele Kinder, die nachts einnässen, dazu neigen, tagsüber schlechter Luft zu bekommen. Sie haben meist geschwollene Atemwege, »Polypen« oder Nasennebenhöhlen-Verschleimungen. Der Fachmann spricht von verzögerter »Pneumatisation«, was soviel heißt wie verzögerte »Durchlüftung«. Solche Kinder haben es schwerer, tagsüber richtig wach und präsent zu sein. Im Kapitel über die Atemwege wurde auf den Zusammenhang hingewiesen, dass im alten Griechenland der Ausdruck »Pneuma« sowohl für die »Luft« als auch für »Seele« verwendet wurde. Somit ist es nicht nur ein Wortspiel, wenn aus ganzheitlicher Sicht auf den Zusammenhang von »Nase und Blase« geschaut wird. Eine ganzheitliche Therapie zielt deshalb vorrangig darauf ab, das Kind tagsüber seelisch-geistig im eigenen Körper so präsent werden zu lassen, dass die Ausscheidungsprozesse zum richtigen Zeitpunkt geschehen.
    Wann zum Arzt?
    Bei zusätzlichen Beschwerden wie Schmerzen beim Wasserlassen tagsüber sollten Sie umgehend zum Arzt gehen. Sprechen Sie in nächster Zeit mit Ihrem Kinderarzt darüber, wenn Ihr Kind regelmäßig einnässt.
    Was macht der Arzt?
    Das Einnässen beruht zwar nur bei 10 Prozent der Betroffenen auf einer organischen Ursache.
    Trotzdem muss dies vom Arzt ausgeschlossen werden, bevor er nach möglichen psychischen Gründen sucht. Denn auch ein Diabetes mellitus (siehe > ), ein Harnwegsinfekt, neurologische Störungen oder Fehlbildungen der Harnwege (siehe > ) können Bettnässen verursachen. Der Arzt wird zur weiteren Abklärung Urin- und Ultraschalluntersuchungen durchführen. Nur in seltenen Fällen sind weiterführende Untersuchungen