Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
Beispiel.«
    »Frauenhäuser«, grinste Aaron. »In meinen Kreisen nennt man das anders.«
    Er unterschrieb, dann griff er zu seiner Jacke, die er über einem Stuhl abgelegt hatte. »Sie machen das schon. Ich melde mich.«
    Damit ging auch er.
    Utz ordnete die Unterlagen und steckte sie in seine Ledermappe. Dann stand er langsam auf.
    »Was war das?«, fragte ich. »Aaron von Lehnsfeld, Bewahrer des Erbes und Schützer der Witwen und Waisen?«
    »Das war der Weggang eines Kindes von den Eltern«, sagte er leise. Wie ein Zuschauer in einem leeren Theater, der noch einmal auf die Bühne blickt, musterte er den Tisch und die verschobenen Stühle.
    »Es sind immer die Kinder, die gehen«, sagte er.

4
    Sigrun saß mit dem Reporter am Tisch im Garten, der Fotograf langweilte sich und trank schwitzend ein Glas Weißweinschorle. Ich schaute auf die Uhr, kurz nach drei. Gerade noch rechtzeitig.
    »Wie schön, dass du kommen konntest!« Scarlett O’Hara stand auf und umrundete den Tisch mit ausgebreiteten Armen. Sie flog Rhett Butler an die Brust, schmiegte ihr Köpfchen an seine Schulter und flüsterte: »Noch eine Minute länger und ich jage dem Dicken den Korkenzieher in die Brust.«
    Der Dicke griff nach seiner Kamera und schoss nicht gerade motiviert ein paar Bilder von uns. Dann wischte er sich stöhnend den Schweiß von der Stirn.
    Wir gingen gemeinsam zum Gartentisch, und ich begrüßte den Reporter. Er stand auf und reichte mir höflich die Hand. »Brettschneider, von der Berliner Tageszeitung. Und das ist mein Fotograf Alexander Dressler.«
    Der Fotograf schaute missmutig in sein leeres Weinglas.
    »Möchtest du auch einen?«, fragte Sigrun.
    »Lieber Wasser, danke.«
    »Wo kann man denn hier mal ...?«, fragte Dressler.
    Ich sprang auf und zeigte ihm den Weg. Dann wartete ich im Haus, bis er fertig war. In der Küche schenkte ich mir ein Glas Wasser ein. Durch das Fenster konnte ich sehen, wie Sigrun und Brettschneider sich verabschiedeten. Sie begleitete ihn nach vorne und verschwand aus meinem Blickfeld.
    »Schöne Wohnung.« Dressler lehnte im Türrahmen. Den rechten Arm hatte er zum Abstützen erhoben, unter seiner Achsel blühte ein ausgedehnter Schweißfleck. Ich nickte ihm zu und stellte das Glas in die Spülmaschine.
    »Zahlt man da eigentlich Miete?« Er stellte sich neben mich ans Fenster. Dann begutachtete er die Espressomaschine, die
maßgefertigte Edelstahlküche und den riesigen Kühlschrank. »Oder gibt’s das alles umsonst?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, erwiderte ich und ging zur Tür.
    Aber Dressler machte keine Anstalten, mir zu folgen. Stattdessen holte er eine Packung Zigaretten aus seiner Hosentasche und zündete sich eine an. Dabei beobachtete er mich aus zusammengekniffenen Augen. »So ein Glück hätte ich auch gerne mal. Die einzige Tochter aus steinreichem Haus, die alteingesessene Kanzlei des Herrn Papa, eines der letzten Anwesen im Grunewald im Originalzustand. Es passt alles wie aus dem Bilderbuch.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Möchten Sie mir sagen, was Sie bedrückt, bevor ich Ihnen den Weg nach draußen zeige?«
    Dressler zog an seiner Zigarette. Die Asche fiel auf den gefliesten Boden. »Das würde ich gerne, aber ich weiß es nicht. Es ist alles ein bisschen zu schön. Zu sauber. Eine wunderbare Show, aber ich glaube sie nicht. Ich rieche es, ob es jemand ehrlich meint. Bei ihr rieche ich nur ein teures Parfüm.«
    »Kann es sein, dass Sie neidisch sind?«
    Dressler warf die Kippe in den Ausguss und ließ Wasser darüberlaufen. Die Glut erlosch mit einem leisen Zischen. »Neid? Neid kenne ich nicht. Aber ich kann ziemlich sauer werden. Wenn man mich verarschen will. Guten Tag.«
    Er drückte sich an mir vorbei und hinterließ neben dem Zigarettengestank einen üblen Schweißgeruch.
    Ich folgte ihm nach draußen und sah, wie er sich knapp von Sigrun verabschiedete. Brettschneider beobachtete ihn dabei argwöhnisch. Sigrun winkte ihnen zu, als sie davonfuhren.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte ich.
    »Gut.«
    Sie wollte an mir vorbei ins Haus, ihre Tasche holen. Ihr Wagen wartete schon. Ich hielt sie zurück.

    »Was ist mit dem Fotografen?«
    Sie blieb stehen. »Was soll mit ihm sein?«
    »Hast du irgendetwas gesagt oder getan, das ihn verärgert haben könnte?«
    »Dressler? Der ist immer so. Warum?«
    »Nichts«, antwortete ich. »Erkläre mir bitte, warum es unbedingt die Berliner Tageszeitung sein musste.«
    Sigrun richtete zärtlich meinen

Weitere Kostenlose Bücher