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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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ehemaligen Burgschauspielers Gustav Weinert. Seine kinderlose Witwe wird von euch vertreten, und ich habe dir die freudige Mitteilung zu machen, dass meine Mandantin beim Nachlassgericht beantragt, ebenfalls Erbin zu werden.«
    Ich musste lächeln. Marie-Luise konnte allein mit ihrer Stimme Glas ätzen. »Gibt es außer deiner Unterstützung irgendetwas, das diese Hoffnung nähren könnte?«
    »Muss ich das jetzt im Einzelnen erklären? Ich schicke dir den ganzen Wust zu und mache einen Termin vor dem Erbschaftsgericht. Ende, aus, Banane.«
    »Wie hoch ist der Streitwert?«
    »Schätzungsweise zwei Millionen, dazu einige Immobilien.«
    »Wir sollten uns sehen.«
    Marie-Luise schwieg. Ich spielte mit der Kopie, die vor mir lag. »Bei der Gelegenheit musst du mir einen Gefallen tun.«

    »Ich muss?«
    »Ich faxe dir was rüber, du wirfst einen Blick darauf und sagst mir, was es ist.«
    »Und wenn nicht?«
    Ich legte die Kopie in das Faxgerät. »Dann werde ich gnadenlos sein. Und du weißt, das kann ich gut.«
    »Ich kann es besser.«
    »Tu mir den Gefallen. Okay? Ich lade dich zum Essen ein. Und dabei besprechen wir die ganze Erbschaftsgeschichte. Ich sage dir offen und ehrlich, was sie erwarten kann. Wenn nicht …«
    »Was, wenn nicht?«
    »Kann ich es auch auf die lange Bank schieben. Möglich, dass sich dann unsere Erben mit ihren Erben auseinandersetzen.«
    »Schwein.«
    »Bitte.«
    »Hör zu, ich habe kein Problem damit, dich im Gericht zu sehen. Ich links, du rechts. Wie im richtigen Leben. Mehr aber auch nicht. Behalte dein Fax. Wenn ich schon so dämlich bin, warum brauchst du dann ausgerechnet meine Hilfe?«
    »Weil du Russisch kannst.«
    »Das hat mir noch nie geholfen. Ich pfeife auf deine Ratschläge.«
    »Verjährungsfrist, Rückabwicklung, DNA-Analyse. Ich schätze, bis zu einer gerichtlichen Verhandlung lassen sich damit gut und gerne drei Jahre und mehrere laufende Meter Akten füllen.«
    Sie kannte mich immer noch gut genug, um zu wissen, dass ich Recht hatte. Ich war der Meister der Eingaben, der Hohepriester der verzögernden Beweisführung, der Schrecken des BGH, der Zauberer, der unwiderlegbare Einsprüche wie weiße Kaninchen aus dem Hut zauberte.
    »Also?«
    »Hinten die 2.«

    Ich sah auf das Display meines Telefons und wählte ihre Nummer. »Nächste Woche? Ich lade dich ein.«
    »Nicht nötig«, erwiderte sie. »Schon vergessen? Wir werden gewinnen.« Sie legte auf.
    Draußen vor der Tür glitt ein Schatten vorbei. Ich sah zu spät hoch, um ihn zu erkennen.
    Mein Blick fiel auf den dritten von Connies gelben Zetteln, auf denen immer das Gleiche stand: Mutter – Reinickendorf. Ich hatte keine Ahnung, wann ich das noch erledigen sollte. Morgen vielleicht. Sigrun war nicht da, sie hatte mehrere Wahlkampfveranstaltungen, und ich musste mich mit der Hinterlassenschaft des Burgschauspielers vertraut machen. Aber morgen Nachmittag hätte ich vielleicht zwei Stunden Zeit.
    Ich vermerkte den Termin im Kalender, zerknüllte den gelben Zettel, kickte ihn in den Papierkorb und fühlte mich besser. Fast wie ein Sohn.
    Die Kopie fiel aus dem Faxgerät und segelte mit einigen eleganten Kapriolen auf den Teppich. Ich hob sie auf und legte sie in meine Schublade.

6
    Meine Mutter wohnte immer noch am Mierendorffplatz. Sie hatte die Wohnung nach dem Tod meines Vaters nicht aufgegeben, obwohl sie viel zu groß wurde und die Altbaudecken immer höher wuchsen. Vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil meine Mutter immer kleiner wurde.
    Ich klingelte, und nach einer halben Ewigkeit öffnete sich die Tür einen winzigen Spalt.
    »Joachim!«, rief sie und warf die Tür wieder zu. Es scharrte und klapperte, dann hatte sie die Sicherheitskette entfernt und öffnete.

    »Das ist ja eine Überraschung!«, rief sie aus und strahlte, als sei ich gerade wegen guter Führung vorzeitig aus der JVA entlassen worden. »Komm rein, komm rein. – Nein, lass das doch!«
    Ich hatte mir die Schuhe ausgezogen. Ich hatte das immer so gemacht, noch als ich hier gewohnt hatte, und erst recht seit dem halben Leben, das ich nicht mehr hier wohnte. Der Flur war vollgestellt mit einem Sammelsurium aus Absonderlichkeiten, die ein Haufen ungeordneter und ungeputzter Schuhe krönte. Es sah noch schlimmer aus als beim letzten Mal.
    »Arbeitet Frau Huth nicht mehr für dich?«
    »Doch. Natürlich. Jetzt sogar vier Mal die Woche.«
    Ich ging ins Wohnzimmer, wo die soeben Erwähnte schnell eine geleerte Tüte mit Salzbrezeln zwischen die

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