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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Krawattenknoten und fuhr mir sanft über die Haare. »Weil ich jetzt vom Büro aus mit zwei Redakteuren der dir genehmen intellektuelleren Blätter ein Hintergrundgespräch führe. Unter drei.«
    Unter drei bedeutete nach den Statuten der Berliner Pressekonferenz absolute Verschwiegenheit, definitiv nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
    »Und was wirst du ihnen beichten?«
    »Meine ganz geheimen Sehnsüchte.«
    »Das Innere.«
    »Genau. Das macht dann die Runde. Und Brettschneider wird verrückt, wenn er davon erfährt, weil er es nicht von mir hat. Natürlich wird er seine Geschichte nicht bringen, ohne gewisse Spekulationen über meine Zukunft zu verbreiten. Also wird er das, was ihm die anderen hinter vorgehaltener Hand flüstern, in seinem Artikel bringen. Und zwar unter der Rubrik: Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete …«
    Ich nahm sie in den Arm und zog sie an mich. »Wie nennt man das?«
    Sie küsste mich flüchtig auf die Wange. »Lancieren. Aber Vorsicht. Das kann nicht jeder. Nur bedingt zur Nachahmung empfohlen. Du musst dich ganz auf dein Netzwerk verlassen können.«
    Sie befreite sich aus meiner Umarmung. »Ich muss los.«
    Ich ging in den Garten, um den Tisch abzuräumen. Das Mädchen kam nur vormittags. Drei leere Flaschen. Côte Chalonnaise. Und das als Schorle.

5
    Sigrun war Frühaufsteherin. Aus einem mir nicht geläufigen Grund erwartete sie Ähnliches von mir. So standen wir um kurz nach sechs nebeneinander im Badezimmer und putzten uns die Zähne. Wir putzten uns länger gemeinsam die Zähne, als wir miteinander schliefen.
    »Der Artikel erscheint schon Sonnabend«, gurgelte sie.
    Sie band ihre schulterlangen Haare nach oben und ließ dann den Bademantel fallen. Was ich sah, machte mir bewusst, dass wir uns die letzten zwei Wochen kaum gesehen hatten.
    »Bist du heute Abend zu Hause?«
    Sigrun schlüpfte in die Dusche. »Fraktionssitzung.«
    Fraktionssitzungen endeten normalerweise um zehn, wenn man nicht den Rest des Abends seine Hausmacht stärken, die Netzwerke knüpfen und gegnerische Lager knacken musste. Sigrun stand im Moment auf dem Prüfstand. Sie war die Quotenfrau, die plötzlich ernst genommen werden wollte. Sie war kein Darling mehr, sie musste kämpfen. Jede Fraktionssitzung ein Shakespeare’sches Drama, jeder Ortsverband ein römischer Senat. Das Lächeln guter Freunde ein geschliffener Dolch im Gewand. Es hatte sie verändert. Es hatte uns verändert.
    Das Wasser prasselte an das Glas.
    Sigrun stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Sie war wunderschön. Ihre schlanke, kräftige Gestalt ließ sie größer wirken, als sie eigentlich war. Sie hatte zarte Schultern und einen atemberaubenden Schwanenhals. Ich hatte Sehnsucht nach ihr und nach dieser Halsgrube, in die ich mich schmiegen wollte, um ihren Maiglöckchenduft einzuatmen. Sigrun lächelte. »Nicht jetzt. Es ist kurz vor halb.«
    Sie hob ihren Bademantel hoch und wollte an mir vorbei. Ich griff nach ihr, zog sie an mich und küsste sie.

    Sie war in Eile und erwiderte meinen Kuss nur flüchtig.
    »Ich hab keine Zeit«, flüsterte sie.
    Ich ließ sie los.
    Sie ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Ich stieg unter die Dusche. Eiskaltes Wasser betäubte das Verlangen und den leisen Schmerz. Er war schnell vorbei. Aber er kam immer öfter.
     
    In der Kanzlei versammelten wir uns im Konferenzraum. Die anderen waren schon da bis auf Meinerz, der einen Termin in London hatte. Mit großer Aufmerksamkeit ließ Utz sich die Tagespläne vortragen, machte hier und da Anmerkungen. Wer einen Gerichtstermin hatte, wurde noch einmal genauestens von ihm instruiert. Gegen acht wurden wir entlassen.
    »Joachim, noch eine Minute.«
    Die anderen gingen hinaus, Harry warf mir noch einen aufmunternden Blick zu, den ich definitiv nicht nötig hatte.
    Als sich die Tür hinter den anderen geschlossen hatte, bat mich Utz, noch einmal Platz zu nehmen.
    »Es hat in der Kanzlei gestern einen Vorfall gegeben. So wurde mir berichtet.«
    »Einen Vorfall?« Ich wusste nicht, was er meinte.
    »Walter hat mir erzählt, eine Russin hätte sich auf unser Grundstück geschlichen.«
    »Ja.« Die alte Frau hatte ich bereits völlig vergessen. »Ich habe sie auf der Rückseite des Hauses gefunden. Sie wollte dich sprechen.«
    »Aus welchem Grund?«
    Ich versuchte, mich so genau wie möglich zu erinnern. Dann fiel mir der Zettel ein, der jetzt in meinem Hemd in der Wäschetonne lag.
    »Sie hatte ein Papier bei sich, das sie dir geben wollte. Ich

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