Das Kleine Buch Der Engel
zuspricht:
„Denn Engel wohnen nebenan,
Wohin wir immer ziehn –“ (Emily Dickinson).
Sammle die Sonne im Herzen
Manchmal scheint unsere Welt vom Fortschrittswahn wie betäubt. Und manchmal gibt es einen Konservatismus, der nur Angst vor Veränderung ist. Bewahren meint nicht die Flucht vor der Gegenwart. Wer aber nicht bewahren kann, der braucht immer neuen Trost, neue Nahrung, neue Erlebnisse, um sich überhaupt am Leben zu spüren. Die Fähigkeit zu bewahren hält mich auch dort lebendig, wo ich vom Leben abgeschnitten bin, in Situationen des Scheiterns, in Situationen der Erstarrung.
Ich wünsche dir, dass dich der Engel des Bewahrens dazu befähigt, in jedem Augenblick intensiv zu leben. Er möchte dir die Fähigkeit von Frederik schenken, von dem eine Kindergeschichte erzählt, dass er im Sommer Sonnenstrahlen und die Buntheit der Blumen in seinem Herzen sammelte, um im Winter davon leben zu können.
Glaub an die Kraft in dir
Es ist bequemer, sich als Opfer zu fühlen, als für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Der Engel, der uns begleitet, hindert uns daran, in der Opferrolle zu bleiben. Er wälzt den Stein von unserem Grab, damit wir nun selbst aufstehen und uns dem Leben stellen.
Ich wünsche dir einen Engel, der dich in Berührung mit der eigenen Kraft bringt. Ein solcher Engel ist nicht nur außen, sondern auch innen. Manchmal brauchen wir Menschen als Engel, die uns den Stein vom Grab wegrollen und uns Mut machen aufzustehen. Aber aufstehen müssen wir dann selbst. Da heißt es, der Kraft zu vertrauen, die der Engel in uns hervorruft, einer Kraft, die in uns selber ist.
Liebe und Freude
Das Tor des Todes werden wir nicht allein durchschreiten, sondern in Begleitung unseres Engels.
Johann Sebastian Bach schließt die Johannespassion mit dem tröstlichen Choral:
Ach Herr, lass dein’ lieb’ Engelein
Am letzten End’ die Seele mein
In Abrahams Schoß tragen;
Den Leib in sein’m Schlafkämmerlein,
Gar sanft, ohn’ ein’ge Qual und Pein,
Ruh’n bis am Jüngsten Tage!
Alsdenn vom Tod errette mich,
Dass meine Augen sehen dich
In aller Freud’, o Gottes Sohn,
Mein Heiland und Gnadenthron!
Herr Jesu Christ, erhöre mich,
Ich will dich preisen ewiglich.
Viele tun sich schwer mit dieser Sprache. Doch die Nahtodeserlebnisse vieler Menschen lassen uns diese Worte in einem neuen Licht erscheinen. GottesEngel werden uns im Tod geleiten und in Gottes liebende Hände hineintragen. Kinder haben mit dieser Vorstellung keine Probleme. Sie leben in der Welt der Engel. Und sie sind überzeugt, dass ihr Engel sie auch im Tode in Abrahams Schoß tragen werde, dass sie im Tod in Gottes mütterliche Arme hinein sterben werden. Der Tod hat etwas mit Geburt zu tun, mit einem mütterlichen Schoß. Dort werden wir für immer die Geborgenheit erfahren, die wir hier ersehnen, die wir hier zwar immer wieder erleben dürfen, die aber zugleich auch brüchig und vergänglich ist. Ich wünsche dir das Vertrauen in Gottes Engel, der uns die Zuversicht schenkt, dass wir im Tod für immer im mütterlichen Schoß Gottes ruhen und im Blick auf Gottes Liebe ewige Freude genießen werden.
Sanft geborgen
Es gibt ein schönes Bild eines alten Meisters um das Jahr 1200, auf dem die beiden Erzengel Rafael und Gabriel in einem Tuch eine abgeschiedene Seele in den Himmel tragen. Es ist ein Trostbild für kranke und sterbende Menschen. Sie werden nicht in das Dunkel des Todes fallen, sondern von liebenden Engeln sanft in den bergenden Schoß Gottes getragen.
Ich wünsche dir schon jetzt die starke Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass du auch im Tod nicht ohne Hilfe bist und dass Gott seine Engel senden wird, dass sie dir helfen, wenn du dir selber nicht mehr helfen kannst.
Weit und frei
Das frühe Mönchtum schwärmte vom engelgleichen Leben, von der „vita angelica“. Die Mönche wollten jetzt schon leben, was Jesus uns nach dem Tod verheißen hat: „Nach der Auferstehung werden die Menschen nicht mehr heiraten, sondern sein wie die Engel im Himmel.“ (Mt 22, 30) Das Bild des Engels, der in sich ruht und ganz und gar auf Gott ausgerichtet ist, faszinierte die Mönche. Sie verzichteten nicht auf die Ehe, weil sie Angst hatten vor ihrer Sexualität, sondern weil sie teilhaben wollten am Leben der Engel. Sie wollten wie die Engel frei sein in irdischen Bindungen. Sie wollten die Weite und Freiheit der Engel erfahren und zugleich ihr Sein in Gott. Die Engel verwiesen sie auf die Erfahrung, die Teresa von Avila in die
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