Das Kleine Buch Der Lebenslust
Gesundheit heilsam. Aristoteles hat ein anderes Verständnis von Lust entwickelt. Er versteht Lust als Bestandteil einer vollkommenen Tätigkeit. Wenn der Mensch vollkommen in einer Tätigkeit aufgeht, erfährt er immer auch Lust. Lust begleitet also unser Tun. Wenn wir unsere natürlichen Fähigkeiten vollkommen ausüben, dann erleben wir Lust.
Lustverlust
Lust war in der Theologie bisher kein beliebtes Thema. Man hat Lust sehr lange und vorschnell mit sexueller Lust identifiziert und sie eher als Gefährdung des Menschen gesehen – nicht als Erfüllung. Bei den Kirchenvätern sieht man in der Lust ein Merkmal des gefallenen Menschen, also des Menschen, der von der Sünde bestimmt ist. Sie wird sofort als Verlangen nach irdischer Lust gesehen und mit Begierde gleichgesetzt. Man spricht von Fleischeslust und zählt sie zu den sieben Todsünden. Dagegen setzen die Kirchenväter die Freude des erlösten Menschen. Aber da diese Freude als rein geistig verstanden wurde, ist mit dieser Art wertend zu denken der ganze Bereich der Lebenslust oft aus dem Blick geraten und als eigener Wert verloren gegangen. Augustinus sieht in der Lust eine verkehrte Weltliebe. Der so nüchterne Theologe des Mittelalters Thomas von Aquin dagegen sieht die Lust positiver. Für ihn ist nicht nur die geistige Lust, sondern auch die sinnliche Lust ein sittlicher Wert. Allerdings richtet sich dieser Wert nach dem Ziel, auf das die Lust ausgerichtet ist.
Höchste Lust
Thomas von Aquin sieht in der sexuellen Lust die Spur, „die aus dem Innersten der göttlichen Natur kommt, das heißt aus seinem trinitarischen Wesen“. Lust ist Fülle und Reichtum und so Abbild Gottes, der in seinem trinitarischen Wesen höchste Lust ist. Die Kirche hat diese Theologie der Lust nie entfaltet, obwohl sie lange Zeit die Theologie des Thomas als Norm allen theologischen Denkens gesehen hat. Für Thomas ist die Lust die vollständige Befriedigung des ganzen menschlichen Seins. In der sexuellen Lust erlebt der Körper ein unaussprechliches Glücksgefühl. Aber auch die Wünsche und Sehnsüchte der Seele sind in diesem Augenblick erfüllt. In der sexuellen Lust öffnet sich der Mensch für etwas, das ihn übersteigt. Und er erfährt eine tiefe innere Dankbarkeit. Gott hat dem Menschen die Lust geschenkt, damit er sich der guten Gaben Gottes erfreuen kann. Er hat alles gut gemacht.
Paradiesisch
Johannes Chrysostomus hat gesagt, Gott habe den Menschen aus dem Paradies einige Dinge hinterlassen, die Sterne des Himmels, die Blumen des Feldes und die Augen der Kinder. Thomas von Aquin ergänzt, zwei Dinge habe Chrysostomus vergessen: Den Wein. Und den Käse.
Johannes Chrysostomus war der begabteste Prediger der Ostkirche. Nicht umsonst erhielt er den Namen „Goldmund“. Er hat den Menschen nicht nach dem Mund geredet, sondern die Botschaft Jesu so verkündet, dass die Menschen davon berührt wurden. Er hat den Egoismus der Reichen gegeißelt und sich durch seine Sozialkritik unbeliebt gemacht, so dass er sein Predigen mit der Verbannung bezahlte. Chrysostomus war aber alles andere als ein harter Moralist. Er hatte einen Blick für die Schönheiten des Lebens und für die Spuren des Glücks, die aus dem Paradies in unsere Welt gerettet wurden. Es sind die Sterne des Himmels, die unser Herz erheben, die Blumen des Feldes, die uns erfreuen, und die Augen der Kinder, aus denen uns das Glück entgegenstrahlt. Thomas von Aquin, der – selbst gut genährt – offensichtlichein gutes Essen und einen wohlschmeckenden Wein nicht verschmähte, fügte den eher unschuldigen Dingen des Johannes Chrysostomus noch zwei ganz irdische Dinge hinzu: Essen und Trinken – den Wein und den Käse. Wer etwa im Tessin den selbstgemachten Käse bei einem Schluck heimischen Rotweins bedächtig isst, der kann Thomas von Aquin nur Recht geben. Das muss der Geschmack des Paradieses gewesen sein, der uns da in eine andere Welt hinein hebt. In solchen Momenten kann Ewigkeit erlebbar werden.
Wonach die Lust schmeckt
Freude ist etwas anderes als Lust. Sie hat zwar mit Lust zu tun. Aber Freude kann auch rein geistig sein. Lust hat immer etwas Irdisches an sich. Sie schmeckt nach Leidenschaft. Sie drückt sich aus im Leib. Lust ergreift und bewegt den ganzen Menschen. Wir haben sie allerdings zu sehr mit dem Irdischen verbunden, so dass wir sie aus dem geistlichen Bereich verbannt haben. Sie ist uns zu suspekt. Dabei gibt es auch unter Theologen eine andere Sicht: Der aus der bayerischen Oberpfalz
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