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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Kellerraum getragen, als die Stimmen der drei Mönche durch den gerade mal drei Handbreit hohen Lüftungsschlitz zu ihm drangen.
    »…bei aller gebotenen Ehrfurcht für unseren Abt, aber da lobe ich mir doch unseren Prior, der in der langen Zeit Vertretung unseres Abtes das gebotene Augenmaß in seiner Amtsführung bewiesen hat! Wieso soll uns jetzt die tägliche Weinration wieder auf das frühere Maß gekürzt werden und das Essen wieder völlig fleischlos sein? Wir leben doch nicht in einem armen Bettelorden!«
    Sebastian stellte das kniehohe Gurkenfass leise ab und trat schnell an die schmale Öffnung, als er die empörte Stimme des Cellerars hörte. Die Sträucher auf der anderen Seite verwehrten ihm einen klaren Blick auf die Männer, die jenseits davon standen, aber er machte drei Paar nackte Füße in Sandalen aus, die unter den Kutten hervorkamen. Und schnell wusste er, um wen es sich bei den beiden anderen Mönchen handelte, die da zusammen mit dem Cellerar ihrem Unmut über ihren Abt Luft machten.
    »Da muss ich Euch Recht geben«, antwortete die unverwechselbare Fistelstimme von Bruder Clemens. »Diese scharfen Ermahnungen, zu einer rigoros strengen Klosterzucht zurückzukehren, gleich am ersten Tag, als er wieder die Geschäfte übernahm, sind mir doch sehr gegen den Strich gegangen.«
    »Da seid Ihr nicht der Einzige«, meldete sich Bruder Egidius zu Wort. »Ich habe in die Runde geblickt und kaum ein Gesicht gefunden, das auch nur annähernd so etwas wie Zustimmung ausgedrückt hätte! Und unseren Prior habe ich noch nie so hochrot vor Zorn gesehen wie bei dieser Kapitelsitzung.
Ein wahres Wunder an Selbstbeherrschung, dass Bruder Sulpicius diese Zurechtweisung so über sich ergehen ließ und nicht ein Wort zu seiner Verteidigung von sich gegeben hat!«
    »Und als hätte Abt Adelphus mit seiner asketischen Vorliebe für übermäßige Klosterstrenge den Bogen nicht schon genug überspannt, zwingt er uns jetzt auch noch diese irrwitzige Disputation auf!«, fügte der Cellerar hinzu. »Er muss nicht ganz bei Sinnen sein, dass er uns zumutet, die ketzerischen Lehren dieses abtrünnigen Wittenberger Mönchs in elend langer Ausführlichkeit anzuhören.«
    »Ja, ein Skandal ist das!«, pflichtete ihm Bruder Clemens bei. »Uns wie faule Tröpfe und unwissende Novizen zu behandeln, die einer Unterweisung in den wahren Glaubenslehren bedürfen! Und was soll der Unsinn, dass wir auch mit den lutherischen Irrlehren vertraut sein müssen, um unseren wahren Glauben schätzen und schützen zu können! Ich habe seit achtzehn Jahren die Gnade priesterlicher Weihen!«
    »Es fällt mir schwer, es auszusprechen, aber mir scheint, dass unser Vater Abt nicht länger über die nötige geistige Klarheit verfügt, um unserem Kloster so vorzustehen, wie man es von einem Oberen erwarten darf!«, sagte Bruder Vitus energisch. »In diesem Licht betrachtet ist seine überraschende Genesung alles andere als ein Segen für unsere Gemeinschaft gewesen. Und ich fürchte, dass wir uns etwas überlegen müssen, wenn wir nicht wollen, dass es bei diesen untragbaren Zuständen bleibt.«
    »Das befürchte ich auch!«, stimmte ihm Bruder Egidius zu. »Und ich weiß, dass wir nicht die Einzigen sind, die so denken! Bruder Sulpicius gehört mit Sicherheit auch zu ihnen.«
    »Ja, aber was tun, um… um dieses Problem in unserem Sinne... besser gesagt zum Segen des ganzen Konvents zu lösen?«, fragte der Vorsteher des Scriptoriums vorsichtig. »Immerhin
sind wir unserem Vater Abt zu striktem Gehorsam verpflichtet.«
    Sebastian sog die Luft scharf ein, als er das hörte. Denn was dieser letzte Wortwechsel bedeutete, lag auf der Hand: Die drei Mönche waren sich darüber einig, dass sie sich von dem strengen Regiment des alten Abtes befreien wollten.
    »Aber nicht, wenn...«
    Was der Cellerar danach noch sagte, bekam Sebastian nicht mehr mit. Denn in dem Moment tauchte Bruder Cäsarius, der für die Klosterküche zuständige Mönch, hinter ihm auf und fragte ungnädig, wo er denn bleibe und ob er sich mit Herumlungern im Keller vor der Arbeit drücken wolle.
    Sebastian beeilte sich, ihm hinauf in die Küchenräume zu folgen und seine Pflichten zu erledigen. Doch die ganze Zeit ging ihm nicht aus dem Kopf, was er dort am Kellerschlitz von dem Gespräch zwischen den drei Mönchen aufgeschnappt hatte. Und in ihm verdichtete sich die dunkle Ahnung, dass sich irgendetwas Gefährliches im Kloster zusammenbraute und dies kein sicherer Ort mehr für ihn

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