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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Brüder in Christo, steht Martin Luther, Augustinermönch, Doktor der Theologie und Inhaber des theologischen Lehrstuhls zu Wittenberg. Die Themen meiner Disputation mit Doktor Johannes Eck sollen heute, wie vom ehrwürdigen Vater Abt bestimmt, der Ablasshandel und die Rechtfertigungslehre sein, die meinen Namen trägt. Gut, kommen wir also gleich zur Sache. Was hat es mit dem Ablass auf sich? Geht es der Kirche wahrhaftig um das Seelenheil ihrer vielen armen Schäfchen und der Verstorbenen? Nein, es geht ihr allein um das unaufhörliche Raffen von schnödem Mammon für eigennützige, weltliche Zwecke! Die Kirche ist allgegenwärtig, beherrscht das Leben der Menschen von der Wiege bis ans Sterbelager, ja mit dem schändlichen Ablasshandel sogar angeblich noch über den Tod hinaus! Und die Kirche lehrt, dass sie allein über Verdammnis oder Seligkeit entscheidet.«
    »Fürwahr!«, stieß der Prior leise während der kurzen Atempause seines Kontrahenten hervor.
    Bruder Scriptoris warf ihm einen Seitenblick zu. »Wirklich ›fürwahr‹?«, fragte er kühl. »Die Macht der Kirche ist erdrückend, insbesondere für die geknechteten Bauern und das einfache
Stadtvolk, die von der Kirche ausgepresst werden. Und es fließen ungeheure Summen aus allen Ländern, vor allem aber aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in den unersättlichen Schlund Roms. Nicht von ungefähr sagt man, Rom sei die große Scheune des Erdkreises, in deren Mitte der unersättlich gefräßige Kornwurm sitze und ungeheure Haufen Frucht verschlinge, den Deutschen das Fleisch abnage und ihnen das Blut aussauge!«
    »Ein Schandwort, das aus dem Mund dieses Raubritters und elenden Ketzers Ulrich von Hutten 29 stammt!«, warf Bruder Sulpicius da sofort sarkastisch ein. »Eine wahrlich ehrenwerte Quelle, aus der Ihr Euch bedient, Martin Luther!«
    Für seinen bissigen Einwurf erntete der Prior beifälliges Gelächter von den Mitbrüdern.
    Auch Pachomius gehörte zu den Lachern, und Sebastian hätte ihm am liebsten einen derben Stoß in die Rippen versetzt, empfand er eine solche Reaktion doch nicht nur als respektlos gegenüber dem Novizenmeister, sondern auch als ausgesprochen schäbig. Immerhin wusste doch auch er, dass Bruder Scriptoris die Rolle des Martin Luther nicht freiwillig übernommen hatte, sondern nur tat, was ihm der Abt aufgetragen hatte. Was er zudem sehr überzeugend tat! Denn stimmte nicht jedes Wort der heftigen Anklage?
    Bruder Scriptoris zeigte sich unbeeindruckt von Zwischenruf, Hohn und Gelächter. »Dass ungeheure Summen gen Süden ins Zentrum der Christenheit fließen, wo der Stellvertreter auf Erden sitzt, ist ja wohl unbestritten. Dort hält der
Papst, umgeben von einem riesigen Gefolge, prunkvoll Hof. Doch diesem ach, so frommen Stellvertreter Gottes reicht das viele Geld nicht, das er den Gläubigen als Peterspfennig und in Form von Kreuzzugsgeldern und Türkenobulus aus den Taschen zieht. Um die Macht der geldhungrigen Kurie zu sichern und sie noch weiter auszudehnen, bedarf es immer größerer Summen. Es müssen Stimmen gekauft, Spione ausgeschickt, kostbare Geschenke gemacht, Meinungen beeinflusst und ein Heer von päpstlichen Beamten und Mätressen sowie Legaten und Nuntien in aller Welt teuer bezahlt werden. Dazu kommen der verschwenderische Luxus der päpstlichen Hofhaltung, der den Lehren unseres gekreuzigten Erlösers und dem Leben der Heiligen Hohn spricht, und die gigantischen Aufwendungen für Kirchen- und Klosterneubauten, mit denen sich der Papst den Ruhm der Nachwelt sichern will. Ist es da verwunderlich, dass in Rom für Geld alles zu haben ist, von der Domherrnstelle mit ihren reichen Pfründen bis hin zum Kardinalshut, der gegen eine entsprechend große Summe in Gold gern auch mal an einen halbwüchsigen Jungen aus der Verwandtschaft verkauft wird? Der Opferstock Roms ist ein unersättlicher Fresser. Und allein um Roms endlose Gier nach Geld zu befriedigen, hat man den Ablasshandel, diese schändliche Ausbeutung und Täuschung des Volkes, eingeführt und sich dabei mit dem Bankhaus der Fugger verbündet.«
    »Wollt Ihr vielleicht in Abrede stellen, dass unsere heilige Mutter Kirche durch die Leiden Christi und der Märtyrer über einen unendlichen Segensschatz an Gnadenmitteln verfügt, den sie zur Rettung der Seelen verwenden kann?«, wollte der Prior wissen, der offenbar nicht daran dachte, der Rede seines Widersachers allzu lang widerspruchslos zuzuhören.
    »Nein, dass es diesen Segensschatz gibt,

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