Das Koenigreich des Sommers
Hueil gehen und ihn um Rache bitten. Aber ich wußte, daß diese Bitte ihn vernichten würde, wie der Wunsch nach Rache Bran vernichtet hatte. Deshalb konnte ich es nicht tun. Gegen meinen eigenen Wunsch habe ich das Unrecht ertragen, ohne zurückzuschlagen. Ich habe die Unehre auf mich genommen und Caer Ebrauc verlassen. Langsam habe ich dazu gefunden, die Schande als meine eigene Buße auf mich zu nehmen, weil ich mit dem Mörder meines Bruders geschlafen hatte. Ich habe mich daran gewöhnt, hilflos zu sein. Du mußt dich auch daran gewöhnen.«
»Herrin.«
»Nein!« Sie wandte sich ihm wieder zu, und Tränen waren jetzt auf ihrem Gesicht. »Nein! Ich habe einmal gesagt, ich würde mich eher umbringen, ehe ich dich wieder in meine Nähe lasse. Und obwohl ich den Eid nicht so ernst genommen habe, weil ich jetzt mit dir rede, so habe ich ihn doch nicht gebrochen und werde ihn auch nicht brechen, ich bin nicht deine Herrin. Ich bin Elidan aus der Abtei St. Elena, und ich ich habe nichts mit dir zu tun.«
Da blickte er zu ihr auf, und in ihrem Gesicht regte sich nichts. Sie biß sich auf die Lippen, als ob sie Schmerzen hätte, sie hob die Hände, als ob sie sie vor das Gesicht legen wollte, und zwang sich dann, sie wieder zu senken. »Nein«, wiederholte sie, diesmal flüsternd, »dich zu sehen, das ist wie ein Messer in meinem Herzen, und es zwingt mich dazu, mich an Dinge zu erinnern, die ich lieber vergessen will. Liebe, zu viel Liebe, und Verrat und bittere Ironie und Mord und Unehre. Geh!«
»Ich weiß, daß dies alles wahr ist«, erwiderte Gawain mit leiser Stimme. »Ich werde gehen, wenn du es wünschst. Aber kannst du nicht gnädig sein?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schwach sein. Ich werde dir nicht noch einmal glauben, ich werde dich nicht noch einmal annehmen. Einmal habe ich dir vertraut, und ich wurde betrogen. Ein zweites Mal soll man mich nicht zum Narren halten. Es ist eine Lüge. Die Welt ist eine Lüge, ihre Schönheit ist Verrat. Ich habe ihr einmal getraut, und ich werde es nicht noch einmal tun. Die Ehre, die ich noch habe, will ich behalten. Laß alles andere untergehen, so elend und übel es ist. Ich muß stark sein. Ich bin die Schwester eines Königs, die Tochter von Königen.« Sie stieß einen langen Schluchzer aus und schaute ihn verzweifelt an. »Um Gottes willen, geh!«
Gawain neigte noch einmal den Kopf. »Wie du willst.« Er stand auf und sagte ruhig: »Rhys, ich warte bei den Pferden auf dich. Wenn du mit Eivlin verabredet hast, wann ihr abreisen wollt, dann komm heraus und sag es mir, und wir bereiten alles vor. Elidan.« Er hob eine Hand und ließ sie dann wieder sinken. »Ich wünsche dir
Freude.« Er verneigte sich, und mit dem Gruß waren alle im Raum gemeint. Dann ging er. Die Stille war schwerer als ein Grabstein.
Elidan setzte sich auf das Bett und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern zitterten wieder.
»Du bist eine Närrin«, sagte Teleri.
Die andere schüttelte den Kopf.
»Kind, du liebst ihn ja noch, und er liebt dich bis zur Abgötterei. Was willst du denn, daß du dich weigerst, ihm zu verzeihen?«
»Ich liebe ihn«, sagte Elidan mit erstickter Stimme. »Ich hatte nicht geglaubt, daß das noch so wäre. Ich dachte, alles in mir sei tot, aber. Gott, lieber Gott, wie kann man der Welt vertrauen? Und was würde mein Clan sagen?«
»Dein Clan!« Ein Unterton der Verachtung lag in Teleris Stimme. »Was spielt das für eine Rolle?«
Elidan blickte auf. Ihr Gesicht war naß, aber ihre Augen blickten schrecklich entschlossen. »Man kann mit der Welt nicht Frieden machen.«
»Wenn man Übles nicht vergeben kann, wie soll man dann leben?«
»Ich muß stark sein«, sagte Elidan zu sich selbst und überhörte Teleri. »Gott sei Dank bin ich stark. Die Bosheit der Welt ist die Wahrheit der Welt. Laß sie zurückfallen in die Nacht, woher sie gekommen ist!«
Ihre Worte erinnerten mich plötzlich an eine andere Stimme, eine dünne, kalte, unmenschliche Stimme, die sagte: »Alles muß in die Finsternis zurückfallen. Licht ist Illusion, die Dunkelheit allein ist wahr und stark.« Die Erinnerung ließ mich zittern. »Herrin«, sagte ich langsam, »es ist nicht sehr christlich, so etwas zu sagen.«
Sie stand auf. Ihre Augen blickten eiskalt, obwohl sie noch naß von Tränen waren. »Sei still«, sagte sie, und ihre Stimme klang so wie die Stimme einer Königstochter. »Laß mich in Ruhe!« Und dann floh sie aus dem Zimmer. Sie knallte die Tür
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