Das Koenigreich des Sommers
der Takt deine starke Seite ist«, stimmte Teleri trocken zu. »Aber was ist mit diesem Mädchen?«
»Ich komme mit. Mich wird man nicht so leicht los.«
Teleri kreuzte die Arme über der Brust und schaute Eivlin finster an. Eivlin starrte unverschämt zurück und kreuzte die Arme mit der gleichen Bewegung. Teleris Lippen zitterten, und einen Augenblick lang versuchte sie sich zu beherrschen. Aber endlich gab sie nach und lachte. Sie setzte sich auf das Bett neben Eivlin und tätschelte ihr den Arm. »Du bist viel weniger krank als starrköpfig, Mädchen. Aber ich, ich war in deinem Alter genauso stur. Ich hab’ mich den Schwestern angeschlossen, obwohl meine ganze Familie >nein!< geschrien hat. Es schadet nichts, wenn man am rechten Ort starrsinnig ist. Geht also, und wenn du deinen Mann hier geheiratet hast, dann sorg dafür, daß ihr beiden nicht gleichzeitig stur seid. Denn ich glaube, ihr wärt in der Lage, euch so zu benehmen, daß die Nordsee im Februar wie ein ruhiger See dagegen wirkt. Rhys, geh, sag deinem Herrn, daß wir herauskommen, sobald ich ein paar Sachen für Eivlin zusammengesucht habe.« Als ich den Mund aufriß, schnaufte sie und fuhr mich an: »Na los.«
Ich ging. Ich wunderte mich. Wenn ich Teleri so angeschaut hätte wie Eivlin, dann hätte ich sie von gar nichts überzeugen können, da war ich ganz sicher. Aber Eivlin starrte sie nur unverschämt an, und alles ging glatt. Wie die Nordsee im Februar, was?
Gawain wartete, wie er versprochen hatte, bei den Pferden. Er stand da, gegen die Mauer der Abtei gelehnt, und streichelte müßig Ceincaleds Hals, während der Hengst an Gawains Haar knabberte. Als Gawain mich kommen sah, richtete er sich auf, gab dem Pferd einen Klaps auf den Widerrist und humpelte auf mich zu.
»Wir können jetzt alle zusammen wegreiten - oder sobald Eivlin mit Teleri herauskommt«, sagte ich ihm.
»Aber sie war ja dem Tod nah. Sie kann einfach noch nicht reisebereit sein.«
»Aber sie sagt, sie will jetzt weg, und wenn sie ein Pferd dafür stehlen müßte. Ich glaube, es geht ihr gut genug. Die Schwäche kam von Hunger und Müdigkeit, und der Hunger sollte sich eigentlich sehr gebessert haben. Da wir aber von Hunger sprechen, Teleri hat mir das hier für dich gegeben.« Ich hielt ihm das Päckchen hin.
Er blinzelte es an und machte keine Bewegung, um es zu nehmen. »Aber ihr solltet hier noch ein paar Tage bleiben. Ich kann allein zurück nach Degganwy reiten, und ihr könnt später nachkommen.«
»Nach Degganwy?« Ich starrte ihn an. »Ich dachte, das wäre zu gefährlich.«
»So wäre es auch gewesen, wenn wir gleich nach Ronans Freunden angekommen wären. Politische Rücksichten kümmern die Truppen wenig, wenn einige aus ihren Reihen gerade erst gefallen sind. Aber jetzt sollte alles wieder ruhiger sein. Maelgwyn hat wohl weniger Gründe, meinen Tod zu wünschen, denn meine Mutter ist besiegt, und Agravain ist da, um die Krieger zu beruhigen. Ich muß zurück, um mich um Agravain zu kümmern. Er wußte, daß ich vielleicht ein paar Tage wegbleibe, aber er wird keine Ruhe haben, bis ich wieder zurück bin. Ich habe Angst, er könnte Maelgwyn
vielleicht etwas Falsches sagen.«
Das klang vernünftig. Und Degganwy war wohl auch sicher genug. Nun. »Also gut, dann gehen wir alle nach Degganwy«, sagte ich. Gawain schaute zweifelnd drein.
»Herr, es ist nicht weit, und Eivlin kann mit mir reiten. Wenn dein älterer Bruder in Degganwy Gefolgsleute hat, dann ist es dort sicherer als hier in Sankt Elena. Medraut kennt diesen Ort, und wenn er noch lebt, dann verfolgt er uns vielleicht hierher.«
Gawain schüttelte den Kopf. »Das würde er wohl nicht tun. Ich bezweifle, daß er sich lange auf irgend etwas konzentrieren kann. Das Bildnis seines Gottes ist zerbrochen, zusammen mit der Macht meiner Mutter.«
»Wie du meinst. Aber wir reiten mit, trotz allem. Eivlin und Teleri kommen in einer Minute heraus.«
Gawain schüttelte müde den Kopf, versuchte wieder etwas einzuwenden, lächelte dann plötzlich ein leichtes, fast bedauerndes Lächeln und hob die Hände. Er gab mir nach. Ich hatte den Drang, seine Schultern zu umfassen und mit ihm zu reden, wie ich mit meinem Bruder oder meinen Vettern geredet hätte. Ich hatte den Drang, ihn seinen Schmerz aussprechen zu lassen. Aber ich wußte, er würde es nicht tun. Er würde sich nur hinter seiner aufmerksamen Höflichkeit verstecken. Also nickte ich und steckte Teleris Päckchen voller Haferkuchen in die
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