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Das Koenigreich des Sommers

Das Koenigreich des Sommers

Titel: Das Koenigreich des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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die Hütte, ließ sich hinter mir auf die Knie fallen, und im nächsten Augenblick spürte ich ihre harten, verzweifelten Schnitte an den Seilen. Ich fuhr fort, die Wand anzustarren. Ich konnte weder verstehen, noch kümmerte mich das, was geschah -dennoch erinnere ich mich ganz genau daran.
    Sie hatte meine Arme befreit, dann mein rechtes Bein. Mein rechter Fuß war eingeschlafen, und ich rollte die Zehen ein, bis sie schmerzhaft kribbelten. Die halb gespürte Musik in der Luft klang leiser, verschwand. Ich schüttelte den Kopf.
    Die Seile, die mein linkes Bein hielten, gaben nach. Eivlin sprang auf, packte meinen rechten Arm und riß mich hoch. Ich stand auf, schwankte, fragte mich, was passiert war. Eivlin bückte sich, hob etwas auf, das sie hingelegt hatte, als sie die Seile zerschneiden wollte. Es war ein Schwert. Sie zog sich meinen rechten Arm über die Schulter und schleppte mich halbwegs zur Tür. Dann brachte sie mich hinaus. Der Mond schimmerte auf der Schwelle, und die Nachtluft war feucht und kalt. Ich blieb stehen und schaute das liebliche Licht an.
    »Komm weiter!« zischte Eivlin und zerrte wild an meinem Arm. Ich begann vorwärts zu stolpern. Ein Stückchen von der Hütte entfernt war ein kleines Pony angebunden. Es mußten auch Pferde dagewesen sein, sagte mir irgend etwas, und ein Wachposten hätte sie bewachen müssen. Aber jetzt stand nur das einzelne, zottige Bergpferdchen da. Eivlin löste blitzschnell die Zügel und packte das Tier am Kopfgeschirr.
    »Komm weiter!« zischte sie noch einmal. »Steig auf.«
    Mir war noch immer nicht ganz klar, was mit mir passierte. Ich versuchte aufzusitzen, wurde schwindelig und mußte mich erst einmal gegen die Seite des Ponys lehnen. Ich preßte die Hände über die Augen, um meinen Blick zu klären. Dann legte das kleine Tier die Ohren zurück und sah erfreut aus, und ich mußte lachen. Eivlin rief wütend etwas auf irisch aus und versuchte, mich mit Gewalt in den Sattel zu heben. Schließlich schaffte ich es, mit ihrer Hilfe hinaufzuklettern. Eivlin nahm die Zügel, schlang sie um den Arm, warf einen eiligen Blick über die Schulter zurück - und erstarrte. Ich schaute auch hin, und ich sah Morgas, die vor der Hütte stand.
    Irgend etwas rührte sich in mir. Schwindelig lehnte ich mich vom Pony nach vorn und packte das Schwert, das in Eivlins bewegungsloser rechter Hand war. Eivlin preßte sich gegen die Seite des Ponys.
    Morgas begann langsam auf uns zuzugehen.
    Ich hob das Schwert, als ob es ein Beil wäre, und bemerkte zum erstenmal, daß es Medraut gehörte. Ich würde kämpfen, dachte ich -und dann bemerkte ich, daß ich diesmal nicht an Händen und Füßen gebunden war. Ich packte Eivlins Haar und preßte meine Hacken in die Flanken des Ponys. Es schnaubte, scheute, so daß ich fast hinunterfiel, und lief. Eivlin wurde hinterhergezerrt. Sie kam plötzlich wieder zu sich und torkelte hinter dem Tier her. Sie zitterte wie ein verängstigtes Kaninchen.
    »Ihr werdet sterben!« schrie Morgas hinter uns. »Beide. Du, Füchsin, wirst sterben vor dem Abend des kommenden Tages. Und auch er wird sterben, dein Liebhaber, und bald genug!«
    Ich brachte das Pony zum Traben und schaute zurück. Morgas folgte uns nicht. Sie rief nur. »Glaubst du, du kannst nach Degganwy zurück? Maelgwyns Männer werden dich für mich festhalten.« Ihre Stimme erhob sich, wurde zu einem Kreischen der Wut. »Geht, unter allen Umständen! Und du, du hast seinen Tod nur verzögert, dummes Ding. Dein eigener Tod ist dir sicher. Geh!« Eivlin riß am Zügel des Ponys und begann zu rennen, und das Pony trabte ein bißchen schneller.
    Ich konnte die Wärme des kleinen Tieres zwischen meinen Beinen spüren, und ich fühlte die Glätte des abgenutzten Leders an Sattel und Geschirr. Eivlins Haar wirkte im Mondlicht bleich. Ich blickte auf. Der Mond war leicht verschwommen, ein Frühlingshalbmond wie ein gelber Apfel. Und der Nachthimmel war tief und weich, überzogen von leichtem Nebel. Die Berge lagen um uns, stille, schwarze Schatten, und nur ein paar ferne Spitzen schimmerten noch vom letzten Schnee. Durch den Geruch von Pferd und Leder spürte ich den Duft des nassen Grases, und die Luft sagte mir, daß die Dämmerung nicht mehr weit war. Etwas in mir stürmte in den Himmel, flatterte wie eine Lerche, während mir klar wurde, daß ich gegen alle Erwartung und Wahrscheinlichkeit tatsächlich noch lebte und bei Verstand war. Kopfschmerzen und alles. Ich hatte den Wunsch zu singen, aber

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