Das Königsmädchen
Wobei ich für jeden Tag dankbar sein würde, den sie länger im Tempel sein dürfte. Ich mochte sie wirklich sehr gerne.
Wieder spritzte Wasser hoch auf meine Beine und ich schaute hoch, um mich zu orientieren. Durch meine Tagträumerei hatte ich gar nicht mitbekommen, wie lange wir mittlerweile schon durch den Fluss getrabt waren.
Wir befanden uns bereits in der Nähe von den Bergen Kwarr Marrhs. In einiger Entfernung hörte ich den großen Wasserfall, der aus dem Berg lief.
Viel zu weit weg.
Vorsichtig lenkte ich die Stute näher zum Ufer und stieg ab. Ich genoss die Kälte um die Füße und benetzte meine Arme und das Gesicht mit Wasser. Am Zügel führte ich das Pferd eine Weile durch den Fluss. Dann ging ich ans Ufer und band die Trense ein paar Mal um einen herabhängenden Ast eines kleinen Baums. Das Wasser wurde dort schnell tiefer und ich stand fast bis zu den Oberschenkeln im kühlen Nass, als ich meinen Wasserbeutel auffüllen wollte. Mein Kleid saugte sich innerhalb eines Herzschlags voll.
Ich beschloss, es auszuziehen, um noch ein bisschen zu schwimmen. Die Sonne wird mich schon wieder trocknen. Also hängte ich das Kleid und den Gürtel mit dem Messer neben die Zügel des Pferdes und watete mit großen Schritten in die Mitte des Flusses.
Ich musste meine Arme zu Hilfe nehmen, weil die Strömung so stark war. Das kalte Wasser brachte mich schnell zum Frösteln, als es mit meinem Bauch in Berührung kam. Puh, ist das kalt . Umsichtig band ich die Haare noch höher, meine Mutter würde mir nie verzeihen, wenn ich mit verknoteten, nassen Haaren nach Hause käme. Ich genoss das Alleinsein und dachte wieder an Kinthos. Am Abend würde ich ihm begegnen, aber mir wäre es lieber, mit ihm allein zu sein, statt unter all den anderen Mädchen.
Als die Sonne höher stand, entschied ich mich, den Rückweg anzutreten. Vorsichtig zog ich mir das Kleid an und kämpfte eine Weile mit den Schnüren am Rücken. Schließlich wickelte ich sie zwei Mal um meine Taille und knotete die Enden locker zusammen. Es war noch immer nicht vollständig getrocknet, der Rock troff vor Wasser.
Ich schnürte den Gürtel mit dem Messer an meinem Bauch fest. Und gerade als ich nach meinen Sandalen griff, riss das Pferd plötzlich ruckartig den Kopf hoch und drehte sich einmal um sich selbst. Ich schaute in dieselbe Richtung und sah ihn.
Er stand am anderen Ufer, beobachtete meine Reaktion und gierte nach meinem Fleisch. Mein Herzschlag schnellte nach oben und ich konnte ihn bereits geifern sehen.
Ein Nebulos.
Zu dieser Jahreszeit waren sie eigentlich längst nicht mehr im Wald. Schon von frühester Kindheit an wurden wir gewarnt, dass wir im Frühjahr nicht allein in den Wald gehen durften. Doch jetzt war Herbst, aber das spielte keine Rolle. Denn dieses Monster würde mich angreifen.
Meine Mutter bezeichnete sie gerne als eine Mischung aus Puma und Büffel, weil sie so groß und kräftig wie Büffel, aber so ausdauernd und gefährlich wie Pumas waren.
Sein dunkelbraunes, struppiges Fell stellte sich auf. Mein Blick wanderte von der langen Schnauze mit den langen Reißzähnen zu den weit auseinanderliegenden Augen.
Er wartete nur darauf, dass ich davonlief. Er liebt es, seine Beute zu hetzen. Aber ich konnte auch unmöglich hier stehenbleiben.
Der Nebulos schien bereits zu überlegen, an welcher Stelle er am besten ins Wasser gehen sollte. Er setzte sich in Bewegung und war mit ein paar wenigen Sprüngen an einem flachen Punkt im Fluss angekommen. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Schnell rannte ich auf die Stute zu, doch diese lehnte sich mit ihren Vorderbeinen gegen den Baum, befreite sich so und lief davon.
»Halt! Bleib stehen!«, schrie ich, so laut ich konnte, doch das Pferd floh schnell in die entgegengesetzte Richtung.
Ich rannte ihr hinterher, doch ich hatte keine Chance sie einzuholen. Ohne zu wissen, wo genau ich war, rannte ich in den Wald, um so viel Abstand wie möglich zwischen mich und den Nebulos zu bringen. Ich schaute für einen kleinen Moment zurück zum Fluss und sah, dass das massige Tier bereits in der Mitte des Stroms war. Er hatte Mühe schnell hindurchzukommen, denn seine Krallen konnten auf den glatten Steinen nicht richtig greifen. In der Mitte war die Strömung am stärksten und er tat sich schwer, die Balance zu halten. Das verschaffte mir ein wenig Zeit.
Ich rannte um mein Leben. Immer wieder klatschte mir das Kleid um die Beine und brachte mich fast zum Straucheln. Ich riss es hoch.
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