Das Königsmädchen
freuen.
Dann schwang ich mich aufs Pferd. Ich ritt den steilen Weg hinab Richtung Dorf. Ich entschied mich, den Wald an den Steinfeldern entlangzureiten, anstatt erst durchs Dorf, wo mich jeder sehen konnte. Keiner musste wissen, dass ich das Plateau noch mal verließ.
In der Ferne hörte ich eine Axt in einen Baum schlagen und das Knacken von Holz.
Ich hatte nur ein Ziel: so schnell es ging zum Fluss zu kommen. Wenn ich das Pferd ordentlich antrieb, würden wir bereits am späten Vormittag dort sein, sodass ich am Nachmittag wieder zu Hause wäre.
Das Wasser war für mich ein Zeichen von Freiheit. Die Strömung, die sich ihren Weg suchte, wie sie es wollte, und die Macht, die dieses kalte Nass hatte, gefielen mir. Am Fluss wäre ich allein und würde von niemandem kommandiert werden.
Und so galoppierte ich mal schneller, mal langsamer, doch stehen blieb ich nie. An den Steinfeldern kannte ich den Wald gut, ich hatte mich noch nie verirrt.
Je älter ich geworden war, desto weiter hatte ich mich vom Plateau entfernt, bis ich jeden Baum kannte, der von dort zum Fluss führte.
Jetzt genoss ich die Stille weit ab vom Dorf und vom Tempel. Man hörte nur die zahllosen Vögel zwitschern und den Wind durch die Baumkronen sausen. Ein paar Eichhörnchen brachten sich vor mir in Sicherheit und kletterten so schnell auf den Baum, wie es nur ging.
Im Wald fand ich es am allerschönsten. Hier war ich frei. Ich schaute über die Steinfelder und fragte mich wie so oft, was wohl dahinter war. Es war streng untersagt, die grauen Felder zu betreten, nicht mal über sie sprechen durfte man. Sie waren so weitläufig, dass man nicht mal ihr Ende erblicken konnte. Wahrscheinlich befand sich dahinter das Meer, denn hier schmeckte die Luft salzig. Es hieß, dass die Krieger wüssten, was hinter den Steinfeldern war, doch auch sie durften nichts verraten. Es wurden harte Strafen verhängt, wenn man sie betrat, und so hielt man sich besser fern.
Auf der anderen Seite des Waldes war es noch gefährlicher; dort begann der Pass von Kwarr Marrh. Weder kannte ich mich in den Bergen noch in dem Wald dort aus.
Hinter dem Pass lebte das Wüstenvolk. Die Uhuru waren feenhafte Wesen, die sich den musischen Dingen hingaben, wie Musik, Malerei und dem Nähen von Kleidern. Hanna beneidete oft die Kleider, die von den Uhuru genäht wurden. Sie waren aus den schönsten Stoffen und den außergewöhnlichsten Mustern.
Man erzählte sich, dass es am Pass zu dieser Jahreszeit von Berglöwen und Bären nur so wimmelte. Und auch vor den anderen Tieren dort musste man sich in Acht nehmen. Die meisten waren gefährlich und auch wenn sie sich scheuten, uns im Dorf anzugreifen, so war der Wald ihr Zuhause.
Je weiter ich mich nun von den Steinfeldern entfernte und in den Wald eindrang, desto ruhiger atmete ich. Ich stieg kurz ab, um Blumen zu pflücken. Ich legte sie an markanten Baumstämmen zusammen, um sie auf dem Rückweg einzusammeln. Mutter würde sich sehr über die farbenprächtigen Blüten freuen.
Mit der Zeit kam ich an einen steilen Hang und von hier aus war es nicht mehr weit zum Fluss. Ich konnte den Hang hinunter reiten, was schneller ging, aber gefährlich war. Nein, besser kein Risiko eingehen. So nahm ich den Weg am Hang entlang auf die Berge von Kwarr Marrhs zu, denn in der Mitte des Waldes ließ die Steigung nach.
An einer harmloseren Stelle ritt ich den kleinen Hügel hinab und hörte bereits das Gewässer in der Ferne. Hier war der Wald noch dicht gewachsen und nicht so abgeholzt wie am Waldrand von Jeer-Ee in der Nähe des Dorfes.
Das Pferd zog in den Fluss und ich ließ es gewähren. Das kalte Nass spritzte hoch an meine Beine und ich musste lachen, weil es auch der Stute so gefiel.
Es war eine so friedliche Idylle. Ich schloss die Augen und überließ die Entscheidung, wohin wir ritten, dem Pferd. Ich dachte an Kinthos und was er wohl gerade machte.
Wen würde er als Nächstes nach Hause schicken? Sie waren alle recht hübsch gewesen. Die Schüchterne würde er bestimmt nicht lange dabehalten, sie war nicht sein Typ. Die Zwillinge sahen gut aus und ja, sie waren wirklich gelenkig, aber auch nicht Kinthos‘ Typ.
Bei Jole war ich mir unsicher. Sie wusste, wie man jemanden um den Finger wickeln konnte, aber Kinthos hatte eine sehr gute Menschenkenntnis. Die Hochnäsige, die links von mir gestanden hatte – sie hieß Alana – könnte mir gefährlich werden.
Dann blieb noch Hanna, aber sie war Fremden gegenüber zu schüchtern.
Weitere Kostenlose Bücher