Das Kommando
Unausweichliche aufzuhalten, lächelte er ihr zu und bildete mit den Lippen stumm die Worte Alles in Ordnung. Dann fiel ihm ein, dass er sein Gesicht mit grüner, schwarzer und brauner Farbe getarnt hatte. Soviel er der Kleinen auch zulächelte, das würde nichts daran ändern, dass er auf sie wie eine Bestie wirken musste, die gekommen war, sie und ihre Angehörigen zu holen.
Schon als sich der kleine Mund zu öffnen begann, wusste Rapp, was folgen würde. Er zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde und hob die Pistole im selben Augenblick, in dem die Kleine einen Schrei ausstieß, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Unhörbar traf das 9-mm-Geschoss den ihm zunächst sitzenden Entführer seitlich im Kopf, der daraufhin seinem Nachbarn buchstäblich in den Schoß fiel. Die an einem wackligen Tisch sitzenden Terroristen erstarrten vor Verblüffung, dann aber wurden sie rasch aktiv.
Nachdrücklich wiederholte Rapp seine Befehle ins Mikrofon, wobei er sich gleichzeitig ein Ziel nach dem anderen vornahm. Als wäre sie eine Verlängerung seines Arms, bewegte sich seine Pistole systematisch von links nach rechts und traf Ziel auf Ziel. Ihm standen sechzehn Schuss zur Verfügung, einer in der Kammer und fünfzehn im Griffmagazin. Bei jeder ausgeworfenen Hülse zählte sein Unterbewusstsein automatisch mit.
Er schaffte drei saubere Kopfschüsse, bevor die Terroristen im Zelt in alle Richtungen durcheinander rannten. Danach musste er sich damit begnügen, auf Oberkörper zu zielen. Einen, dem es gelang, seine Waffe zu ziehen, schoss Rapp in die Schulter, sodass er zu Boden stürzte und die Waffe klappernd seiner Hand entfiel.
Jackson und seinen Leuten rief Rapp zu: »Nehmt die rechte Seite des Zelts unter Sperrfeuer! Die Geiseln sind alle hier bei mir!« Auf keinen Fall sollte eine verirrte Kugel einen der Entführten treffen, ebenso wenig wollte er selbst eine abbekommen.
Rapp sah zwei Läufe, die sich bewegten, einer davon in Richtung auf die Geiseln. Da jemand im Weg war, konnte er das Ziel nicht einwandfrei anvisieren. Während er rief: »Nehmt das verdammte Zelt unter Feuer!«, gab er rasch nacheinander drei Schüsse ab, obwohl er sein Ziel nicht genau erkennen konnte.
Einer der Terroristen taumelte rückwärts, als ihn sein tödlich getroffener Kamerad von den Füßen riss. Noch im Fallen betätigte er den Abzug, doch gingen die drei Schüsse, die sich lösten, durch die Wand und das Dach des Zelts. Rapp sah eine Bewegung rechts von sich. Sein Auge reagierte rascher darauf als seine Pistole. Er sah das Mündungsfeuer des Gewehrs, eine Kugel riss Splitter aus dem Holz der Bodenbretter unmittelbar vor ihm, dann folgte ein weiterer Blitz und noch einer. Offenbar hatte der Mann sein Sturmgewehr auf Dauerfeuer gestellt.
Den ersten Schuss gab Rapp übereilt ab und traf den Mann nur in die Schulter. Einen Sekundenbruchteil später hätte er den Kopf im Visier gehabt, doch so weit kam es nicht. Ein sengender Schmerz riss ihn aus der Konzentration, und sein Schuss ging weit daneben.
Bevor Rapp zu einer Bewegung fähig war, zerfetzte ein Kugelhagel die Zeltwand, und der Terrorist, der gerade auf ihn gefeuert hatte, wurde zur Seite gerissen, als führte er einen makabren Tanz auf. Von sechs Kugeln getroffen, stürzte er über einen Kunststoffstuhl zu Boden. Das Feuer dauerte noch weitere fünf Sekunden; insgesamt wurden dabei über hundert Schüsse abgegeben.
Schließlich forderte Rapp Jackson und seine Männer auf, die Geiseln in Sicherheit zu bringen. Den Blick und seine Pistole fest auf den Haufen aus menschlichen Leibern am anderen Ende des Zelts gerichtet, spannte er sich an, als ihm die erste Schmerzwelle durch alle Glieder fuhr.
Er sah Jacksons Männer ins Zelt stürzen. Sie gaben rasch nacheinander mehrere Schüsse ab, doch die eigentliche Arbeit war getan. Er legte den Kopf auf den Boden und sah zu den Geiseln hinüber, die sich in einer Ecke aneinander drängten. Er wollte schon melden, dass er getroffen war, überlegte es sich dann aber anders. Vermutlich waren die anderen noch damit beschäftigt, ihren Part zu erfüllen, da konnte Coleman noch keine Ablenkung brauchen. Er beschloss, einfach eine Weile liegen zu bleiben und sich zu entspannen.
41
Bei Irene Kennedy machte sich ein leichter Kopfschmerz bemerkbar. Ihr war klar, dass er mit dem zweiten Cosmopolitan zusammenhing, den sie mit Anna Rapp getrunken hatte. Aber es hatte sich gelohnt – war es ihr doch gelungen, zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher