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Das Kommando

Das Kommando

Titel: Das Kommando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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des Zelts hindurchspähte, warf er einen kurzen Blick auf seine MP-5. Mit dem Nachtsicht-Zielfernrohr und dem langen, dreißig Schuss fassenden Magazin an der Unterseite war sie ziemlich sperrig. Falls er schießen musste, konnte es schwierig werden, sie unter der Zeltbahn durchzuschieben. Daher legte er sie vor sich auf den Boden und griff nach seiner ebenfalls schallgedämpften 9-mm-Beretta. Er zog sie geräuschlos aus dem Hüftholster und nahm sie in die linke Hand. Im Unterschied zu dem, was man im Kino sieht, brauchte er weder eine Kugel in die Kammer zu laden noch den Sicherungshebel umzulegen. Bei einem Einsatz waren seine Waffen jederzeit feuerbereit.
    Er lauschte noch einmal, hörte aber nichts. Falls sich die Geiseln dort befanden, wo er sie vermutete, gaben sie keinerlei Geräusch von sich. Eine Hand vor das Mikrofon gelegt, flüsterte er: »Ich sehe jetzt nach. Haltet euch bereit.«
    Er drehte sich auf den Rücken und legte sich so, dass er nach oben spähen konnte, wenn er die Zeltbahn mit der rechten Hand ein wenig beiseite zog. Auf diese Weise behielt er die Linke frei für den Fall, dass er sie brauchte. Da sein Kopf fast auf der Erde lag, sah er lediglich die verfaulten Bretter des Zeltbodens.
    Vorsichtig hob er die Zeltbahn weiter an. Zuerst nur zwei, drei Zentimeter, obwohl er sicher war, dass Wind und Regen jedes andere Geräusch überdeckten. Diesmal sah er unmittelbar vor sich einen schmutzigen Fuß. Da sich nicht feststellen ließ, ob er einer Geisel oder einem Terroristen gehörte, hob er das Tuch noch ein Stück weiter und zog es ein wenig beiseite. Diesmal belohnte ihn der Anblick einer mit Schmutz bedeckten und von Insektenstichen übersäten unbehaarten Wade sowie der eines Fußes, der so klein war, dass er nur einem Kind gehören konnte.
    Erwartungsvoll hob er die Zeltbahn noch ein Stück weiter. Wie in den anderen Unterkünften hing lediglich eine einzelne Laterne von der Decke. In ihrem trüben Licht sah er zwei der Kinder und den Rücken der Mutter, alle drei leicht an ihren roten Haaren zu erkennen. Er sah weiter um sich, weil er wissen wollte, wo sich der Vater und das dritte Kind befanden. Wenn sie genau wussten, wo sich jeder aufhielt, war die Sache viel einfacher.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Zelts glaubte er das Bein des Vaters erkennen zu können. Als er die Zeltbahn noch ein wenig mehr beiseite zog und den Kopf hob, um einen besseren Überblick zu haben, starrte ihn mit einem Mal ein Paar weit aufgerissene Augen an. Da geschah es.

40
    Coleman erlebte alles gleichsam aus der Vogelperspektive mit. Zwar fror er trotz der vergleichsweise warmen Luft, doch achtete er nicht auf die Signale seines Körpers, den es nach einem trockenen, warmen Ort verlangte. Er hatte Schlimmeres durchgemacht. Trotz seines Alters war er durchaus noch belastbar.
    Wenn sich Rapp doch nur beeilen würde! Zwar war es wichtig zu wissen, wo sich die Andersons befanden, aber es war nicht unerlässlich. Er hatte sich nie an die mit einem solchen Unternehmen verbundene Nervenanspannung gewöhnen können. Das war vermutlich auch gut so, trotzdem hätte man denken sollen, dass es ihn nicht mehr so sehr mitnahm, nachdem er schon an vielen Einsätzen dieser Art teilgenommen hatte.
    Durch das Zielfernrohr seines Karabiners sah er, wie Rapp die Pistole herausnahm und sich auf die Seite drehte. Dann hörte er Rapps Stimme, die alle aufforderte, sich bereit zu halten. Er verfolgte jede seiner Bewegungen durch das Zielfernrohr. Sein Finger war weit vom Abzug entfernt. Sollte es kritisch werden, waren seine Augen und Anweisungen wichtiger als seine Schießkunst – es sei denn, der ganze Trupp müsste den Rückzug antreten. Das aber hielt er für ausgeschlossen. Sie hatten nicht nur das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, sie verfügten auch über erstklassige Schützen.
    Coleman hatte schon oft Männer in Kampfeinsätzen befehligt und besaß aufgrund seiner Erfahrung ein untrügliches Gespür dafür, wie die Dinge standen. Bisher schien alles bestens abzulaufen.
    Das änderte sich mit einem Schlag, als er in seinem Ohrhörer einen durchdringenden Schrei hörte. Unwillkürlich zuckte er bei diesem unerwünschten und Unheil verkündenden Laut zusammen. Bevor er Gelegenheit hatte, festzustellen, was da geschah, bellte Rapp schon Befehle.
    * * * Rapp sah, wie der Ausdruck panischer Angst auf das Gesicht des kleinen rothaarigen Mädchens trat, das sich in die Arme der Mutter schmiegte. Beim Versuch, das

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