Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
die ist
in seinem Etat nicht drin. Nicht daß er schlecht verdienen würde — aber die
Pferdchen! Er kann das Zocken nicht lassen! Und das ärgert Rotraud. Sie macht
ihm pausenlos Vorwürfe. Darum fährt Papke schon Samstag nachts zum Angeln.
Fische halten wenigstens die Klappe, sagt er.«
     
    Durch diese ausführliche Schilderung erfuhren
Bob und Pepe auch einiges über Riekes Alltag. Sie taute immer mehr auf, man
konnte auch sagen — sie wurde langsam zutraulich — wie ein Kind oder ein Hund.
    Sie hatten nicht mit dem Rückstau auf der
Stadtautobahn gerechnet, hervorgerufen durch heimkehrende Sonntagsausflügler.
So blieb ihnen keine Zeit für einen ausführlichen Abschied.
    Rasche Umarmung, gegenseitige Wünsche, großes
Dankeschön, die Hoffnung, sich irgendwann einmal wiederzusehen — »Plumpsack!
Mach’s gut.«
    »Schade, daß du so weit weg wohnst«, sagte Pepe
noch, ehe sie mit hallenden Sohlen auf ihren Schalter zurannten.
    Einmal wandten sie sich noch um und winkten mit
allem, was sie in den Händen hielten.
    Dann waren sie fort.
     
    Gleich nach dem Start belebte ein fahles Grün
Pepes Gesichtszüge.
    »Ist was?«
    »Ja.« Er wartete gerade noch das Erlöschen von
»Fasten seat belts« ab, schnallte sich frei und hastete der Toilette zu. Blieb
längere Zeit fort. Kam endlich verquollen und erschöpft zurück.
    »Hast du Beschwerden?« erkundigte sich Bob.
    Pepe winkte elend ab. Er hätte seinem Bruder
gerne die Gründe für sein Unwohlsein aufgezählt, aber er schaffte es nur in Gedanken,
nicht mit Ton.
    Eisbein mit Sauerkraut und Erbspüree.
    Kalte Bouletten und Soleier.
    Übelriechender, über einem Griebenschmalzbrot
zerlaufender Käse — eine Delikatesse! hatte Rieke versichert. (Im Vergleich zu
dem, was Tibetanern schmeckte, mochte das stimmen, aber sonst...!)
    Aal grün mit Gurkensalat und dazu Weiße mit
Schuß, ein Gesöff, das sich aus Weißbier und giftgrünem Waldmeistersirup
zusammensetzte und in Gläsern serviert wurde, die größer waren als die
Waschschüsseln des Rokoko.
    Und das Schlimmste gestern nacht in einer
Kneipe: Persico. Es trank sich wie Himbeersaft, nur die Wirkung war nicht die
gleiche.
    Allein der Gedanke an »Echt Rixdorfer Säuern mit
Persico« trieb Pepe auf den panamerikanischen Flugzeugtopf zurück.
    Bob lachte ihm herzlich ohne einen Funken
Mitgefühl hinterher. Häufig kehrten europäische Reisende mit de-rangierten
Innereien aus lateinamerikanischen Ländern zurück. Warum sollte es nicht einmal
umgekehrt sein? Er stellte seinen Sitz zurück, blätterte eine Zeitung auf, um
zu lesen — und blickte aus dem Fenster in die Abendsonne.
    Rieke und ihr komischer Hund Plumpsack fuhren
jetzt mit dem Omnibus nach Hause.
    Sie hatte an diesem kurzen Wochenende alles
getan, um Sympathien für ihre Stadt zu erwecken, an der sie hing wie an einem kranken
Kind. Sie hatte dabei völlig unbeabsichtigt, weil unberechnend und
unraffiniert, Sympathien für sich selbst in den Brüdern gefördert.
    Was für ein unheimlich nettes Mädchen, vor
allem, wenn man dahinter kam, daß ihre Burschikosität nichts anderes als
Angstbellerei war. Sie versuchte damit nur vorbeugend und aggressiv ihr
empfindsames, inneres Engelchen zu beschützen. So ein Mädchen wie Rieke hatte
Bob sich immer als Schwester gewünscht. Mit seiner eigenen, um zwei Jahre
älteren, vertrug er sich so vorzüglich, daß sie sich nicht einmal zu ihren
Geburtstagen gratulierten. Pepe kehrte auf seinen Sitz zurück. »Na?«
    »Alles raus. — Und wie geht’s dir?«
    »Blendend!«
    »Wahrscheinlich liegt es daran, daß du einen
deutschen Magen hast.«
    Und danach lagen sie schweigend in ihren Sitzen
und dachten jeder für sich.
    Einmal sagte Bob: »Wir haben ihr nicht mal einen
Blumenstrauß mitgebracht.«
    Und kurz vor der Landung in München-Riem
erinnerte sich Pepe: »Wie wir am Samstagmittag zu ihr kamen, da war da doch so
eine unangenehme Person — erinnerst du dich? Rieke sagte, ihr Mann wäre von
einer Türkin gebissen worden.«
    »Ja. Ja und —«
    »Wir haben ganz vergessen zu fragen, warum.«
     
    Rieke stieg mit Plumpsack in den Omnibus,
Oberdeck, erste Reihe. Hinter ihnen waren alle Bänke leer.
    Der Bus fuhr aus dem Flughafengelände Richtung
Halensee.
    Eine Maschine donnerte steil in den Abendhimmel.
Vielleicht war es diejenige, mit der Bob und Pepe nach München zurückflogen.
    Jetzt, wo niemand mehr da war, dem sie Berlin
zeigen konnte, hatte sie alle Lust an ihrer Stadt verloren. Fühlte

Weitere Kostenlose Bücher