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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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sich
zurückgelassen.
    »Rieke
Birkow kommt mit Sixten,
    Zieht
jedoch per Los den Bob...«
    Ach, verflixten.
    Er gefiel ihr auf einmal so sehr als Mann.
Wodurch, zeugte weniger von seinen männlichen Qualitäten als von Riekes
mangelnder Verwöhnung durch Männer.
    Es war so lange her, daß sie bei einem das
Gefühl von Sicherheit und Schutz verspürt hatte, eigentlich nur ein einziges
Mal: bei ihrem Vater.
    Allein optisch hatte er für das Kind Rieke ein
einbruchssicheres Gebäude dargestellt, in das sie sich mit ihrem Kinderkummer
verkriechen konnte. Ihr Vater schützte sie vor Spinnen, vor Gewitter und vor
den Racheakten jener Knaben, die sie einzeln aufs Kreuz gelegt und verbimst
hatte, weil sie von ihnen wegen ihrer Plumpheit gehänselt worden war.
    Rieke war fünfzehn Jahre alt, als ihr Vater
starb. Ihre Mutter heiratete ein Jahr später wieder.
    Aus Treue zu ihrem Vater hatte sie diesen neuen
Mann vom ersten Tage an befeindet und verschloß sich auch vor ihrer Mutter, die
diesen Mann ins Haus gebracht hatte.
    So kam es, daß sie ihren Freischwimmer machen
mußte, ohne daß einer dagewesen wäre, der ihr gesagt hätte, wie man in diesem
Leben richtig schwimmt. Sie war dennoch immer oben geblieben, irgendwie. Nur
ihrem Schwimmstil merkte man an, daß er nicht auf natürliche Weise erlernt
worden war, sondern im ständigen Kampf gegen das Absaufen.
    Immerhin hatte sie diesem autodidaktischen
Kursus ihre heutige Selbständigkeit zu verdanken.
    Rieke war heute selbständig, unabhängig, stark —
kein Wunder, daß sich labile Naturen wie Sixten und solche, die ihr Schicksal
ziemlich umständlich, weil mit zwei linken Händen, anfaßten, zu ihr hingezogen
fühlten. Sie war der Schutzwall, in dessen Windschatten sie sich geborgen
fühlten, wenn es einmal unangenehm wurde. Es steckte viel Beschützerkraft in
ihr.
    Immer wieder hörte sie den Satz: »Rieke, mach du
das lieber, du kannst das viel besser als ich.«
    Und Rieke machte, sie war ja kein
Spielverderber. Sie zahlte auch für sich selbst und bückte sich selbst, wenn ihr
etwas herunterfiel, und reagierte ungelenk, wenn einmal jemand auf die Idee
kam, ihr in den Mantel zu helfen.
    Und nun war Bob Taschner anderthalb Tage
dagewesen und hatte ganz unglaubliche Sachen mit ihr gemacht, zum Beispiel
beschützend die Hand um ihren Ellbogen gelegt, wenn sie eine belebte Straße
überquerten.
    Er hielt ihr die Türen auf. Und setzte sich
nicht, bevor sie Platz genommen hatte.
    Nachdem sie sich das zweite Mal schneller als er
nach ihrer heruntergefallenen Tasche bückte, hatte er sie gefragt:
    »Du läßt dir wohl nicht gern helfen?« Aber es
klang verwundert, eher wie: Du bist ja nicht einmal an die simpelsten
Selbstverständlichkeiten gewöhnt.
    »Ach, das sind doch überholte Konventionen«,
hatte sie gesagt.
    Was ihr überhaupt nicht gefallen wollte: Bob
hatte ihr natürliches Anlehnungsbedürfnis aus seinem jahrelangen Tiefschlaf
geweckt.
    Und während sie auf dem Oberdeck des Omnibusses
heimwärts schwankte, wurde ihr klar, daß leider niemand zum Anlehnen da war.
     
    Am nächsten Tag saß Friederike nach Feierabend
in einem kleinen Waschsalon und wartete darauf, daß sich ihre Handtücher und
Slips und Blusen in der Seifenlauge sauberturnten.
    Außer ihr war nur noch eine Hausfrau anwesend,
die ihre Aussteuer nach dem Mangeln voller Stolz zusammenlegte... da, schau sie
dir nur an. Alles prima Qualität und umsichtig gepflegt. Zierde eines jeden
Wäschespindes. Rieke hatte nie ein persönliches Verhältnis zu ihren Kopfkissen
und Laken besessen. (Irgendwelche Ansätze dazu hatten die schwachsinnigen
Werbespots der Waschmittelreklame von Anfang an im Keime erstickt.) Hauptsache,
das Zeug war wieder sauber, trocken, weggeräumt und somit kein lästiger Punkt
mehr auf ihrem Pflichtenzettel.
    So egal wie heute aber war ihr die Wäsche noch
nie gewesen. Sie hockte vor der Maschine, auf deren Bildschirm das Kochprogramm
schwankend-schäumend ablief, und stierte verträumt vor sich hin.
    Es war etwas Bestürzendes mit Rieke geschehen.
Sie hatte sich in Bob Taschner verliebt. Gleich nach seinem Abflug war es ihr
zum ersten Male aufgefallen und hatte sich seither immer mehr gesteigert.
(Rieke hinkte gern mit ihren Emotionen hinter den Geschehnissen her.) Bei aller
Hoffnungslosigkeit, es war ein herrliches Gefühl. Es schaltete jeden
Beschäftigungsdrang aus.
    Sie brauchte nur dazusitzen und in die
Waschtrommel zu träumen und sich wieder und wieder an jedes seiner Worte

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