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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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zu
erinnern.
    Er hatte zum Beispiel gesagt: »Ich mag deine
Hände.« Ausgerechnet diese ramponierten Arbeitspfoten, die sie meistens,
zwischen den Knien gefaltet, unterm Tisch verborgen hielt.
    Rieke hatte daraufhin empört protestiert. Ihre
Hände wären scheußlich — aber das sei ja auch kein Wunder bei den Beizen und
Laugen, mit denen sie täglich Umgang habe.
    Bob konnte nur mit Mühe ihren Wortschwall
unterbrechen. »Hör zu, hör doch mal zu, ich habe nie behauptet, daß sie schön
sind. Ich habe nur gesagt, daß ich sie mag ! Darf man dir denn gar nichts
Nettes sagen?«
    Obgleich sie ihn sobald nicht wiedersehen würde,
wenn überhaupt noch einmal, hatte sich Rieke gleich heute früh ein für ihre
Verhältnisse sündhaft teures Mittel gekauft, welches das Wachstum ihrer Nägel
fördern sollte.
     
    Bob war in München. In München war Vera.
Gemeinsam wollten sie nach Mexiko fliegen, um dort Ferien zu machen. Das
Waschprogramm war beendet.
    Rieke zog ihre Wäsche auf einmal heraus und
stopfte sie in die Schleuder. Sie war in einer Stimmung, in der sie sich am
liebsten selbst einen Vogel gezeigt hätte.
    »Dreht
euch nicht um,
    Der
Plumpsack geht um.
    Und
Rieke ist dumm.«
    Das war am Montag. Am Dienstag ließ die Erinnerung
an Bob sie wenigstens tagsüber zufrieden und setzte erst nach Feierabend
intensiv ein.
    Am Mittwoch spätestens hatte sie Post von ihnen
erwartet.
    Am Donnerstag flog Pepe nach Mexiko zurück.
    Am Freitag wehrte sie sich mit allen Fasern
ihrer Enttäuschung gegen die noch nicht einmal wochenalte Erinnerung an die
Gebrüder Taschner aus Mexiko, die es nicht für nötig befunden hatten, sich noch
einmal bei ihr zu melden.
    Nicht mal eine Ansichtskarte: »Vielen Dank für
die lokalpatriotische Vergewaltigung. Es war nett. Alles Gute.« Nicht einmal
das! Dabei hielten sie doch sonst so viel von Konventionen.
    Rieke war tief enttäuscht. Sie hatte fest
angenommen, die Herzlichkeit der Brüder wäre von Herzen gekommen.
    Aber anscheinend gehörten sie zu den Leuten,
deren Liebenswürdigkeit man keine tiefere Bedeutung beimessen durfte.
     
    Als sie am Freitagabend nach Hause kam, roch es
bereits im Flur nach angebranntem Mändelchenpudding: Sixten war wieder da!
    Ihn hatte sie völlig vergessen gehabt.
    Friederike registrierte beim Betreten der
Wohnung: ein ausgestülpter Kofferinhalt auf dem Sofa. Das Badezimmer unter
Wasser. Rasierapparat im Waschbecken. Angebrannter Topf in der Küche und die
Eisschranktür nur angelehnt.
    Sixten war wirklich zurück, wenn auch nirgends
in der Wohnung zu finden.
    Da Plumpsack ebenfalls fehlte, nahm sie an, daß
sie gemeinsam einen Spaziergang machten.
    Es war bereits dunkel, als sie heimkehrten.
    »Rieke? He — Rieke, wo steckst du?«
    Er fand sie zwischen den beiden Korbsesseln auf
dem Balkon. Sie schaute den Himmel an.
    »Hier bist du! Ich suche dich — warum sagst du
nichts?« Rieke zog ihre bloßen Füße vom zweiten Stuhl, damit er sich setzen
konnte.
    »N’abend.« Sein Mund suchte im Dunkel ihr
Gesicht und landete auf ihrem linken Auge.
    Er war nicht mehr ganz nüchtern, denn er hatte
unterwegs Freund Charly getroffen und mit ihm mehrere Biere getrunken und ob
Rieke noch ein letztes mit ihm zusammen —?
    »Wie bist du zurückgekommen?« fragte sie.
    »Aus München? Einfach irre. Mit einem Freund von
Paul auf einer Siebenhundertfünfziger-BMW.«
    »Hintendrauf?«
    »Wo denn sonst!?« Sein Gesicht, so dunkel wie
eine gebrannte Mandel — verklärte sich. »Rieke, ich sag’s dir, wenn wir jemals
zu Geld kommen sollten, kaufen wir uns eine Maschine. Irre. Einfach irre.«
    »Aha.«
    »Du denkst, du sitzt auf einem schmalen Hengst.
Wenn du bloß den Motor im Leerlauf hörst, geht’s schon los. Ein Kribbeln —
sagenhaft! Du beschleunigst langsam — die Gabel hebt sich wie auf einem
Luftkissen — du fliegst — du denkst, du fliegst — fahrende Autos sind nur noch
Hindernisse, die im Wege stehen. Beim Überholen schaltest du zurück — denkst,
du kriegst einen Schlag ins Kreuz, gehst aufs Gas, es drückt dich in den Sitz —
du hebst ab — das, also das kann nur noch vom Start einer Phantom übertroffen
werden«, schwärmte Sixten. »Und wenn du dann in die Kurve gehst er ging, »dann
ist plötzlich der Straßenbeton ganz nah vor deinen Augen, aber die Fliehkraft
hält dich im Sitz...« Er brach ab, irritiert durch ein Geräusch.
    Rieke machte »Brrrrr — Prrrchch« vor sich hin
wie ein Kind, das Autofahren mit Ton spielt. »Brrrr« mit

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