Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
schloß, sagte sie
erklärend: »Sie wollte ein Pflaster, weil ihr Mann von einer Türkin gebissen
worden ist.«
    Zufällig begegnete Rieke ihrem Spiegelbild und
verstummte jäh. Das war sie? — Ein erschrockenes Gesicht unter einem Schopf
ungewaschener Haare, der ihr bis über die Augenbrauen hing, ein halboffenes
Jeanshemd und darunter kein BH. Und die langen, nackten Beine mit den Füßen
nach innen gekehrt.
    Von nun an begegnete sie den beiden mit der
abwehrenden Befangenheit eines Mädchens, das am vergangenen Abend zu faul
gewesen war, sich die Haare zu waschen. Außerdem hatte sie nicht aufgeräumt.
    »Schaut euch bloß nicht um! Bei mir sieht’s vielleicht
aus!«
    Dabei fegte sie ein Frottiertuch vom Stuhl und
stieß gleichzeitig mit dem Hacken die Küchentür zu. Bei ihren kleinen
Schlampereien erwischt worden zu sein, fraß abrupt die Wiedersehensfreude.
    »Wie kommt ihr denn hierher?«
    »Pepe wollte unbedingt Berlin kennenlernen. Am
Wochenend gibt es verbilligte Flüge. Eine Pension haben wir auch schon und
einen Leihwagen«, erzählte Bob. »Steht unten«, sagte Pepe.
    Wohin mit den beiden? Am besten auf den Balkon.
»Setzt euch, ich komme gleich.«
    Plumpsack, der im Gegensatz zu Friederike
souverän über sein leicht verfilztes Äußeres hinwegsah, machte die Honneurs.
Das heißt, er perpendikelte mit dem Puschelschweif Willkommensfreude,
schnüffelte an Pepes Hosenschlitz, was diesem peinlich war, und nahm
anschließend in einem knirschenden Korbsessel Platz. Da es nur noch einen
zweiten für Bob gab, mußte Pepe stehen. Stand und äugte über die Balkonkästen
in den Garten mit seinen abgeblühten Sträuchern und Grasfetzen zwischen
steingrauem Sand, aus dem ein Türkenkind mit Hilfe von abgestandenem
Regenwasser Eierpampe fabrizierte.
    »Findest du, daß sich Rieke freut, uns
wiederzusehen?« überlegte er.
    »Einerseits ja, aber andererseits...«
    »Praktisch kennen wir sie ja kaum«, gab er zu
bedenken. »Das hättest du dir früher überlegen können«, sagte Bob. »Schließlich
war es deine Idee.«
    »Ja, aber wer sonst könnte uns die Stadt zeigen?«
    »Zum Beispiel Onkel Eberhard. Die Mühlbergs und
die Hesslers... Vater hat genügend Freunde hier.«
    »Vaters Freunde zeigen einem immer das, was man
gar nicht sehen will, und außerdem reichen sie einen in ihrem eigenen Kreis
herum. Ich kenn’ das aus New York«, klagte Pepe.
    Rieke kam zurück. Wirkte blanker als vorher,
auch gefaßter. Hatte sich inzwischen gekämmt, umgezogen und duftete auch schön.
»Wo habt ihr eigentlich meine Adresse her? Von Sixten? Er ist ja noch in
München. Wollt ihr was trinken? Ich fürchte, ich hab’ bloß Selters...
Moment...«
    Weg war sie zum zweiten Mal. Es war nur mehr
eine halbgeleerte Flasche im Eisschrank. Das reichte wohl kaum. Danach zog sie
hoffnungsfroh die Schublade mit den Keksen auf und schob sie enttäuscht wieder
zu. Nichts als Krümel.
    Sie sah zum Balkon. Pepe, Bob und Plumpsack
schauten erwartungsvoll zurück.
    Rieke hatte einen lichten Gedanken: Ich benehme
mich so hausbacken blöd wie meine Mutter bei überraschendem Besuch. Vor lauter
hausfraulicher Emsigkeit ließ sie ihre Gäste allein. Wenn sie endlich unter
vielen Entschuldigungen den Kaffeetisch gedeckt, Kuchen vom Konditor geholt und
erschöpft Platz genommen hatte, schauten die unverhofften Gäste zum ersten Mal
verstohlen auf die Uhr. Sie waren ja nicht gekommen, um Mutters Geschäftigkeit
beizuwohnen, sondern um sie einmal wiederzusehen und zu fragen, wie es denn
allen so ginge, und eigentlich mußten sie schon wieder weiter...
    Verflixte ererbte Konventionen. In ihnen
versiegte jede spontane Freude in Erstickungsanfällen.
    »Ich stell’ mich vielleicht an — dabei ist es
einfach irre, daß ihr da seid.«
    »Siehst du«, sagte Pepe zufrieden zu seinem
Bruder. »Sie freut sich irre.«
    Und keinem fiel auf, daß sie von der Begrüßung
an das »Sie« abgelegt hatten.
    »Wie geht es Vera?« fragte Rieke.
    »Gut. Bis auf die Narbe auf ihrer Stirn. Aber
wozu gibt es schließlich Schönheitschirurgen. Es ist alles reparabel,
zumindest, was ihr Aussehen anbelangt.«
    Bob war herumgegangen und hatte die Möbel
betrachtet. Jetzt blieb er vor Rieke stehen. »Sag mal —«
    »Hm?«
    »Hast du was Wichtiges an diesem Wochenende vor?«
    »An sich schon, aber — warum fragst du?«
    »Dürfen wir dich einladen, uns Berlin zu
zeigen?«
    »Ja, gern...« (Du liebe Güte, sie sollte den
Bärenführer spielen. Was zeigte sie ihnen denn da? Was

Weitere Kostenlose Bücher