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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Wunder sein, wie die Frauen in diesem staubigen, wasserarmen Land
es fertigbrachten, ihre Männer und ihre zahlreiche Brut so proper aus ihren
primitiven Behausungen zu entlassen.
    Ein Junge schoß im Leerlauf auf seinem Motorrad
vorbei, schaute sich nach ihr um, bis eine Kurve ihn verschluckte.
    Rieke stieg höher und höher, und der Blick auf
den See wurde immer weiter. Palmenköpfe überragten giraffenhalsig das Dickicht
und die weißen und bunten Häuser dazwischen. Grüne Ufer in der Morgensonne. Die
silberne Glatze des Popocatepetl in der Morgensonne. Rieke in der Morgensonne
ziellos in diese Ländlichkeit hineintrödelnd.
    Wann hatte sie sich das letzte Mal so frei, so
zufrieden, so angenehm unwichtig gefühlt...?
    Leben war manchmal richtig schön...
     
    Auf dem Heimweg kam ihr zuerst ein ausgerissener
Esel entgegen, er schleppte seinen Strick hinter sich her. Dann sah sie Bob auf
der Straße, die sie vorhin gegangen war. Sie winkte ihm zu.
    »Warte, ich komm’ runter.«
    Rieke rannte in ihrem bunten Nachthemd in ihrer
Morgenfröhlichkeit, die Handtasche mit ihrem Vermögen unter den Arm geklemmt,
über Steine hopsend, Gestrüpp und Kakteen ausbiegend, auf ihn zu.
    Für das letzte Stück Abhang reichte er ihr die
Hand und ließ sie dann nicht mehr los.
    Sie standen — ineinander versunken — mitten auf
der Straße in der Morgensonne, und es schien beiden unmöglich, sich jemals
wieder voneinander zu trennen. Einmal öffnete Bob die Augen, während er sie
küßte. Rieke hatte die Wimpern fest zusammengekniffen. In ihrem Haarschopf
sprenkelten bronzene Lichter.
    Sie war so anschmiegsam. Sie rührte und erregte
ihn. Sie war so gar nicht für die leichte Schulter.
    An Rieke konnte man kratzen, so gründlich man
wollte, sie blieb durch und durch echt.
    Vielleicht war es das Echte, was ihm an ihr so
sehr gefallen, ihn aber instinktiv zurückgehalten hatte... Es war zuviel
Charakter in dem Mädchen. Sie bedeutete mehr Verantwortung, als er hatte tragen
wollen.
    An diesem klaren, heiteren, ländlichen Morgen
mitten auf der Landstraße schliefen all seine Bedenken ein, zumindest die
Bedenken.
    Er spürte plötzlich einen leichten Widerstand in
seinen Armen, ein Aufmucken ihres Körpers und unter Küssen ein unverständliches
Murren.
    »Was?« küßte er. »Was hast du gesagt?«
    Rieke machte sich von ihm frei und sah ihm
geradeaus in die Augen...
    Sagte: »Kumpel...!!«
    Und wie nachtragend das klang.
     
    Sie gingen durch das offene Tor in den Garten.
Die Morgensonne hatte das Gras getrocknet. Im Gras leuchteten abgefallene
Limonen. Eidechsen spielten über weiße Hauswände.
    Sie gingen durch die Küche und den langen,
leeren Saal hinter der Veranda bis zur Treppe und über die Treppe auf die obere
Terrasse. Und umarmten sich und gingen umarmt durch die weitgeöffneten
Gazetüren in Riekes Schlafzimmer.
    Hier hatte Rusty einen Altar aufgebaut.
    »Rusty!« erinnerte sich Rieke. Den hatte sie
ganz vergessen gehabt.
    »Wer ist Rusty?« fragte Bob.
    »Kennst du nicht. Ein junger Amerikaner von
heute früh.«
    »Bei dir?«
    »Ich dachte zuerst, es wäre Pepe — den Umrissen
nach.« Sie betrachteten gemeinsam Rustys feierliches Arrangement. Da war zuerst
ein Blatt Papier, auf dem er die plattgetretenen Reste des Skorpions aufgebahrt
hatte mit weißsternigen Jasminblüten rechts und links. Sehr stimmungsvoll.
Dahinter war ein Schreiben an Riekes Sonnenöl gelehnt. Auf deutsch übersetzt,
lautete es folgendermaßen:
    »Hi — Kraut!
    Ich habe mir aus der Brieftasche Deines Freundes
etwas Reisegeld genommen und aus der Eisbox das Nötigste. Keine Sorge, zum
Frühstück ist noch genug für euch da. Viel Glück...« und darunter, zum Weinen
korrekt:
    »Yours sincerely Rusty.«
    Der Brief hatte noch ein Postskriptum:
    »Vergiß nicht, ein Skorpion kommt selten
allein.«
    Bob ließ nach dieser Lektüre seine brandneue
Liebe im Stich und rannte in sein Zimmer. Er kam gleich darauf mit einer
Brieftasche wieder. Kein einziger Schein fiel mehr heraus und keine Kreditkarte.
Wenigstens hatte ihm Rusty seine Ausweise gelassen.
    »Dein Gringo«, sagte er klagend.
    »Was ist ein Gringo?« fragte Rieke, von der
Pleite ablenkend.
    »Der mexikanische Spitzname für einen
Nordamerikaner.«
    Es tat ihr so wahnsinnig leid. Sie sagte es ihm.
    »Ach, komm«, sagte Bob und zog sie in seine
Arme, »laß uns bloß jetzt nicht an das Scheißgeld denken.«
    Sie küßten sich.
    »Wieviel war’s denn?«
    »So an die zweitausend Pesos.«
    Sie

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