Das kommt davon, wenn man verreist
erinnerte sich Rieke.
Wie kam sie ausgerechnet jetzt auf Vera? Ja, wie
kam sie nur? Vielleicht, weil sie ergründen wollte, warum Bob in ihr nur einen
Kumpel sah.
»Hörst du noch von ihr?«
»Ja.«
»Zum Maxi hat sie sich nicht anständig benommen.«
»Du mußt immer zwei Seiten hören.«
»...aber glauben kann ich nur einer«, sagte Rieke.
Bob lachte.
Er ließ sich partout nicht in ein Gespräch über
Vera ziehen.
»Wie lange bleibst du in Mexiko?« erkundigte er
sich nach einer Weile.
»Bis Freitag nächster Woche. Wieso fragst du?«
»Dann werdet ihr euch nicht mehr sehen, Vera
kommt erst am Montag drauf hier an.«
Rieke hatte ein Gefühl, als ob sie jemand in den
Magen boxte.
»D-das ist aber schade. Dann verpassen wir uns
genau um ein paar Tage...« Heucheln lag ihr nicht... Vom Jasminstrauch
unterhalb der Veranda zog ein süßer Duft heraus, so, als ob er einmal tief
ausatme.
»Wird sie auch bei euch wohnen?«
»Vera? Nein. Ich hab’ für sie was in einem
zentralgelegenen Hotel bestellt. — Übrigens haben wir gestern abend
festgestellt, daß Ulla Kirchsteins Bruder mit der Schwester von Vera mal verlobt
war. — Zufall, nicht?«
Rieke sah einem fernen Wetterleuchten nach.
Was sollte sie jetzt sagen: Jaja, die Welt ist
klein?
»Ich werde die beiden zusammenbringen«,
versprach sich Bob. »Dann muß ich wenigstens nicht mit ihr durch die Geschäfte
ziehen.«
Ein dünner Schatten huschte über das untere Ende
der Veranda, verharrte lautlos...
»Herodes?« fragte Bob in die Dunkelheit.
Herodes war ein Hund mittlerer Größe und
unbestimmten Alters, entfernt an einen Jagdterrier erinnernd. Weil er so dünn
war, wirkte er sehr jung. Er wagte sich ein paar Schritte aus der Dunkelheit
hervor, wedelte unsicher, wich anfangs vor der Hand zurück, die Bob ihm
entgegenstreckte... Er sprach ihn spanisch an.
Auf einmal war er mit einem Satz auf seinem
Schoß. Eine eckige, weil kaum benützte Zärtlichkeit brach aus.
»Wir sind von meinem letzten Urlaub her
befreundet«, erzählte Bob. Rieke hörte nicht mehr zu, sie war bereits in die
Küche gelaufen.
Endlich brachte sie ihr gestohlenes Futter an
den Hund. »Herodes ist ein sozial gut gestelltes Hündchen«, sagte Bob. »Er hat
einen Namen und ein Halsband und eine feste Schlafstelle in unserer Garage.
Sein Magen besitzt die Fähigkeiten eines Hamstermagens. Am Wochenende frißt er
sich bei den Hausgästen voll. Davon zehrt er die Woche über. Zur Zeit muß es
ihm nicht gutgehen. Wann kommt schon einer von der Familie an den See.« Herodes
lag noch eine Weile plumpsatt auf der Veranda herum, dann war er lautlos
verschwunden.
Rieke zog die Füße unter ihren langen Rock.
»Kalt?«
»Nö.«
»Noch was trinken?«
»Gern.«
So saßen sie bis spät in die Nacht nebeneinander
und schauten in die glucksende, raschelnde, grillenpfeifende Schwärze, die wie
eine Mauer um das trübe Lampenlicht der Veranda stand. Sprachen halblaut über
dies und das. Versicherten sich zwischendurch, was für eine großartige Nacht
das doch war. (Was für eine unwiederbringlich verschenkte Nacht in einem
romantisch vergammelten, einsamen Haus mit sieben Schlafzimmern — aber das
behielt Rieke für sich.)
Sie spürte jeden Augenblick, wie wohl er sich
mit ihr fühlte. Immer wieder legte er seine Hand beim Erzählen auf ihren Arm.
Bob erzählte aus seinem Leben, was ihm gerade so
einfiel. Internatserlebnisse. Eine Motorradfahrt durch Guatemala, einem Land,
von dem er behauptete, es wäre genau so, wie man sich Mexiko vorstellte.
Er erzählte vom ersten Besuch seines Vaters im
Hause von Isabellas Eltern. Er selbst war auch dabei. Laut Isabella soll er
damals ein unförmiges Windelpaket mit sich herumgeschleppt und allen Blumen die
Köpfe abgerissen haben.
Bob hatte keine Erinnerung an diesen Besuch, bei
dem sich Isabella — damals neun Jahre alt — unsterblich in seinen Vater
verliebte. Sie soll untröstlich gewesen sein, als sie erfuhr, daß er bereits
eine Frau hatte. Als sie sich wiedersahen, war Isabella sechzehn und sein Vater
frisch verwitwet.
»Nach dem Trauerjahr haben sie geheiratet.«
»Ein Schicksal wie aus einem Südstaatenroman«,
meinte Rieke. »Heute ist Isabella in dich verliebt.«
»Wie kommst du denn darauf?« Bob war beinah
erschrocken über diese Möglichkeit. »Und wenn, dann nur, weil ich Ähnlichkeit
mit meinem Vater habe.«
In punkto Frauen war er völlig uneitel. Das
merkte man auch aus seinen Geschichten. Wenn Mädchen drin vorkamen,
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