Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
Vom Netzwerk:
vorüber, und an der linken Schulter des Fremden flammt kurz ein blauer Blitz auf.
    »Estoy perdido«, sagte Miguel und gab sich verloren. Auf dem Bauch liegend, hob er den Kopf und knurrte seinen Gegner an.
    Der Fremde jedoch verhielt sich passiv. Er schien überhaupt unbewaffnet zu sein. Miguels scharfer Blick glitt über ihn dahin. Der Mann trug ungewöhnliche Kleidung und einen Kopfschmuck aus kurzen, leuchtend blauen Federn. Das Gesicht darunter war hart, asketisch und unduldsam. Er war sehr dünn und über zwei Meter groß. Aber er schien unbewaffnet zu sein, was Miguel wieder Mut gab. Er überlegte, wo seine Machete hingefallen sein mochte. Sie war nirgends zu sehen; dafür lag sein Gewehr nur zwei Meter entfernt.
    Der Fremde kam heran und stellte sich vor Miguel hin.
    »Steh auf«, sagte er. »Wir wollen uns unterhalten.«
    Sein Spanisch war ausgezeichnet, und es war nur komisch, daß seine Stimme im Inneren von Miguels Kopf zu klingen schien.
    »Ich stehe nicht auf«, sagte Miguel. »Wenn ich aufstehe, erschießt mich Fernandez. Er ist ein sehr schlechter Schütze, aber ich wäre ein Narr, wenn ich ein solches Risiko einginge. Außerdem ist das sehr unfair. Was zahlt Ihnen Fernandez?«
    Der Fremde blickte Miguel streng an.
    »Weißt du, woher ich komme?« fragte er.
    »Das ist mir völlig egal«, erwiderte Miguel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er blickte zu einem Felsen in der Nähe hinüber, hinter dem er eine Ziegenhaut mit Wein versteckt hatte. »Aus den estados unidos , natürlich – Sie und Ihre Flugmaschine. Ich werde der mexikanischen Regierung davon Meldung machen.«
    »Und die mexikanische Regierung billigt Mord und Totschlag?«
    »Das ist eine private Angelegenheit«, sagte Miguel. »Es geht um Wasserrechte, die sehr wichtig sind. Außerdem handele ich in Notwehr. Der cabron da drüben versucht mich umzubringen. Und Sie sind sein gedungener Mörder. Gott wird Sie und ihn strafen.« Da kam ihm ein Gedanke: »Wieviel würden Sie für Fernandez’ Tod verlangen?« erkundigte er sich. »Ich gebe Ihnen drei Pesos und eine prima Zicke.«
    »Es wird keine Streitereien mehr geben«, sagte der Fremde. »Hast du gehört?«
    »Dann sagen Sie das nur Fernandez«, erwiderte Miguel. »Sagen Sie ihm, daß die Wasserrechte mir gehören. Ich werde ihm gern freien Abzug gewähren.« Nun schaute er schon so lange zu dem großen Mann auf, daß ihm der Hals wehtat. Er bewegte sich etwas, und eine Kugel sirrte durch die ruhige, heiße Luft und bohrte sich mit unangenehmem Klatschen in eine Kaktuspflanze.
    Der Fremde glättete die blauen Federn auf seinem Kopf.
    »Zuerst reden wir beide mal zu Ende. Hör mir zu, Miguel.«
    »Woher wissen Sie meinen Namen?« fragte Miguel, drehte sich um und richtete sich vorsichtig hinter dem Felsen auf. »Wie ich schon dachte. Fernandez hat Sie bezahlt, damit Sie mich umbringen.«
    »Ich weiß deinen Namen, weil ich ein wenig in dei nen Gedanken lesen kann. Aber nur ein wenig, weil sie so konfus sind.«
    »Ihre Mutter war eine räudige Hündin«, sagte Miguel.
    Der Fremde blähte die Nasenflügel, ging jedoch nicht auf die Bemerkung ein. »Ich komme von einer anderen Welt«, sagte er, »und ich heiße –«
    In Miguels Gehirn hörte sich der Name wie Quetzalcoatl an.
    »Quetzalcoatl?« wiederholte Miguel ironisch. »Oh, daran zweifle ich nicht. Und ich heiße Sankt Peter und verwalte die Schlüssel zum Himmel.«
    Auf Quetzalcoatls dünnem, bleichem Gesicht erschien eine leichte Röte, aber seine Stimme blieb betont sanft. »Hör zu, Miguel. Schau auf meine Lippen. Sie bewegen sich nicht. Ich spreche in deinem Kopf, durch die Telepathie, und du übersetzt dir meine Gedanken in Worte, die dir etwas bedeuten. Offenbar ist mein Name zu schwierig für dich. Dein Geist hat ihn als Quetzalcoatl übersetzt. Aber so heiße ich in Wirklichkeit gar nicht …«
    »De veras«, sagte Miguel. »So heißen Sie also in Wirklichkeit gar nicht, und Sie kommen auch nicht von einer anderen Welt. Ich würde einem norteamerkano nicht glauben, selbst wenn er bei den Gebeinen von zehntausend Heiligen schwören würde.«
    Wieder rötete sich Quetzalcoatls langes, strenges Gesicht.
    »Ich bin gekommen, um Befehle zu geben«, sagte er, »nicht um mich zu streiten mit einem … Schau, Miguel, warum meinst du wohl, konntest du mich mit deiner Machete nicht umbringen? Warum prallen Kugeln von mir ab?«
    »Warum kann Ihre Flugmaschine fliegen?« gab Miguel zurück. Er brachte einen Tabaksbeutel zum

Weitere Kostenlose Bücher