Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
Vom Netzwerk:
schwarz, und schließlich starrt er auf ein undeutliches Spiegelbild seiner selbst, und das Büro erstrahlt im Glanz der Deckenleuchten.
    Er geht durch das Zimmer und schaltet das Licht aus; dann setzt er sich an seinen Tisch und wendet sich zur Sprechanlage.
    »Betty, ehe Sie gehen, stellen Sie mir doch noch ei ne Verbindung zu meiner Frau her.«
    »Ja, Sir.«
    »Und dann zu Jim Morrison bei der United Press.«
    »Ja, Sir.«
    Er schaltet schließlich seine Tischlampe an und war tet in dem kleinen Lichtkegel.
    »Sehen wir uns doch mal Santos von der Allied an, ein guter Mann. Wie ich höre, hat er gerade einen Zuschuß bekommen, um seine Tätigkeit auszudehnen. Ein kleines, aber sehr gutes Werk. Es geht um einen neuen Verdicker, der besser als Polystyrol sein soll, wie man hört. Hat sich vom Techniker hochgearbeitet. Jetzt hat er ein tolles Haus, eine schöne Frau, drei Söh ne – und alle sind im wehrfähigen Alter, wie der Zufall so spielt. Etwa im gleichen Alter wie Dave, tatsächlich.« Er lächelte wieder. »Da ist immer jemand als Nachfolger zur Stelle, wie, Mr. Davis?«
    Der Mann zündete sich wieder eine Zigarette an, lehnte sich zurück und rauchte und beobachtete. Er hob den Arm zum Mund und senkte ihn wieder. Hinauf und hinab. Die Bewegung erinnerte Davis an eine an- und ausgehende Neonreklame. Er blickte auf die Papiere unter seinem Arm; er hatte Stunden darüber zugebracht, und es war ihm plötzlich, als sähe er sie zum erstenmal, als habe jemand seine Handschrift nachgemacht und die Bogen hier auf dem Schreibtisch liegenlassen. Sie schienen so abwegig, so unwirklich …
    Der Dünne lächelte ihn an. »Sind die Argumente auch stichhaltig, Mr. Davis? Sagen Ihre Worte auch tatsächlich das, was Sie so dringend zur Sprache bringen wollten?« Er streckte einen Arm aus und zog die Papiere unter Davis’ Armen hervor. Er lächelte, kniff im Halbdunkel die Augen zusammen und begann zu lesen. Seine Zigarette brannte im Aschenbecher weiter.
    Schließlich blickte er auf.
    »Offen gesagt – ganz gut. Der Abschnitt über die Säuglinge – Sie wären ein guter Journalist geworden. Ad hominem, natürlich.« Er drückte die Zigarette aus. »Aber was machen schon eine oder zwei Gesetzesübertretungen, wenn man sich nur auf die Seite der Guten stellt …« Er senkte den Blick wieder auf die Papiere. »Wissen Sie, es ist mir noch nie so aufgefallen, aber das Wort hat irgendwie einen orientalischen Klang …«
    Der Mann an der Tür legte eine Hand auf den Griff. »Zwölf Uhr zwanzig, Carl.«
    »Dann wäre das jetzt alles, Mr. Davis. Ich hoffe, Sie werden sich an unser kleines Gespräch heute nacht erinnern, falls Sie wieder einmal den Drang verspüren sollten, sich … äh … Gehör zu verschaffen.« Er stützte sich mit der Hand auf dem Tisch ab und stand auf. Die Hand bewegte sich, und Asche stäubte über den roten Teppich; »Oh, das tut mir leid, Mr. Davis.« Er rollte die Presseerklärung zusammen, steckte sie in seine Manteltasche. »Wir melden uns wieder. Hat uns gefreut.«
    Der andere war bereits in den Flur hinausgetreten. Der Dünne ging langsam zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte.
    »Die Zeitungen hätten das sowieso nicht gebracht, müssen Sie wissen; es ist ihre Pflicht. Patriotismus. Wird heutzutage noch hochgehalten.«
    Und dann waren sie fort, die Tür war geschlossen.
    Davis saß an seinem Tisch und lauschte den verhallenden Schritten nach, die hohl aus dem Flur zu hören waren. Dann das Surren und Poltern eines hinabfahrenden Lifts. Dann Schweigen. Er bemerkte, daß das oberste Blatt seines Schreibblocks Druckstellen aufwies.
    (Um Himmels willen, Dave, du darfst nicht aufge ben. Laß nicht locker!)
    Er stand auf und ging zum Fenster. Er blickte zu den Türmen, Tanks und Kränen hinüber, die sich vor dem Himmel erhoben, und betrachtete die Wolken, die sich dazwischen bewegten. Sein Atem machte kleine Dunstkreise auf die Scheibe. Er roch die verschüttete kalte Asche.
    Die zwei Männer kamen unten aus dem Gebäude. Sie gingen langsam und unterhielten sich dabei; ihre Nachtarbeit war beendet. Sie stiegen in ihren Wagen. Mit nur sekundenlanger Verzögerung ging die Innenbeleuchtung an-aus, an-aus, als die beiden Türen geöffnet und geschlossen wurden, dann bewegte sich nur noch die Zigarette des Dünnen in der Dunkelheit. Hinauf. Und hinab.
    Endlich wurden die beiden Scheinwerfer eingeschaltet und lagen wie zwei dorische Säulen auf dem Betonfeld. Ganz leise hörte Davis den Motor des Wagens.

Weitere Kostenlose Bücher