Das Kriegsbuch
Bösewicht ist«, sagte Miguel.
»Woher weißt du, daß er ein Bösewicht ist?«
»Weil«, führte Miguel logisch aus, »er mich umbringen und meine Familie versklaven will.«
Es folgte eine Pause. Ein Laufvogel huschte vorbei und pickte versuchsweise am blinkenden Lauf von Miguels Gewehr. Miguel seufzte.
»Da ist eine Ziegenhaut mit gutem Wein – keine sechs Meter von hier«, sagte er, aber Quetzalcoatl ließ ihn nicht weiterreden.
»Was hast du da vorhin über die Wasserrechte gesagt?«
»Oh, das«, sagte Miguel. »Wir sind hier in einem armen Land, señor . Wasser ist sehr kostbar. Wir haben ein trockenes Jahr gehabt, und das Wasser reicht nicht mehr für zwei Familien. Das Wasserloch gehört mir. Fernandez will mich umbringen und meine Familie –«
»Gibt es denn keine Gerichte in deinem Lande?«
»Für Leute wie uns?« fragte Miguel und lächelte höflich.
»Hat denn Fernandez auch eine Familie?« fragte Quetzalcoatl.
»Ja«, sagte Miguel. »Er schlägt die Armen, wenn sie nicht bis zum Umfallen arbeiten.«
»Schlägst du deine Familie nie?«
»Nur wenn es nötig ist«, sagte Miguel überrascht. »Meine Frau ist sehr fett und faul. Und mein ältester, Chico, ist ziemlich frech. Es ist meine Pflicht, sie zu schlagen, zu ihrem eigenen Wohl. Es ist auch meine Pflicht, unsere Wasserrechte zu verteidigen, da der bö se Fernandez entschlossen ist, mich umzubringen und …«
Quetzalcoatl sagte ungeduldig: »Wir verschwenden nur unsere Zeit. Laß mich mal nachdenken.«
Wieder strich er über den Ring an seinem Finger. Er sah sich um. Der Laufvogel hatte inzwischen einen schmackhafteren Bissen gefunden als den Gewehrlauf. Er hüpfte gerade davon, und der zuckende Schwanz einer Eidechse hing ihm aus dem Schnabel.
Die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel herab. Die trockene Luft roch nach Mesquite. Unten im Tal wirkte die Flugmaschine in Form und Material derart vollkommen, daß sie irreal schien vor dem Hintergrund der Landschaft.
»Warte hier«, sagte Quetzalcoatl schließlich. »Ich spreche mit Fernandez. Wenn ich rufe, gehst du zu meiner Flugmaschine. Fernandez und ich kommen dann auch dorthin.«
»Wie Sie wollen, señor «, stimmte Miguel zu, während sein Blick abirrte.
»Und daß du dein Gewehr in Frieden läßt«, fügte Quetzalcoatl mahnend hinzu.
»Wieso, ja natürlich, señor «, sagte Miguel. Er wartete, bis der große Mann verschwunden war. Dann kroch er vorsichtig über den trockenen Boden und brachte das Gewehr wieder an sich. Nach einigem Suchen fand er auch seine Machete. Erst jetzt wandte er sich dem Wein zu. Aber obwohl er wirklich durstig war, trank er nur mäßig. Er lud das Gewehr nach, lehn te sich an einen Felsen und nahm von Zeit zu Zeit einen Schluck.
Inzwischen näherte sich der Fremde Fernandez’ Versteck, ohne sich um die Kugeln zu kümmern, die von Zeit zu Zeit blaublitzend von seiner stählernen Gestalt abprallten. Bald hörten die Schüsse ganz auf. Dann passierte lange Zeit gar nichts, und schließlich kam der große Mann wieder zum Vorschein und wink te Miguel zu.
»Ya voy, señor«, rief Miguel hinüber. Er legte sich das Gewehr auf dem Felsen zurecht und richtete sich sehr vorsichtig auf, bereit, beim geringsten Zeichen von Feindseligkeit wieder unterzutauchen. Aber es geschah nichts.
Jetzt erschien Fernandez neben dem Fremden. Sofort riß Miguel seine Waffe hoch, um damit den Kampf zu Ende zu bringen.
Etwas Dünnes bohrte sich zischend durch das Tal. Das Gewehr wurde glühendheiß in seiner Hand. Migu el schrie auf und ließ es fallen, und dann setzte sein Denken aus.
»Ich sterbe ehrenvoll«, dachte er noch, dann war es auch damit vorbei.
Als er zu sich kam, stand er im Schatten der fliegenden Untertasse. Quetzalcoatl senkte die Hand, mit der Miguel vor dem Gesicht herumgefuchtelt hatte. Das Sonnenlicht brach sich an seinem Ring. Miguel schüttelte betäubt den Kopf.
»Bin ich noch am Leben?« fragte er.
Aber Quetzalcoatl kümmerte sich nicht um ihn. Er hatte sich Fernandez zugewandt, der neben ihm stand, und gestikulierte vor dessen maskenhaft starrem Gesicht herum. Ein Licht flammte an Quetzalcoatls Ring auf und strahlte in Fernandez’ glasige Augen. Fernandez schüttelte den Kopf und murmelte undeutlich vor sich hin. Miguel hielt nach seinem Gewehr oder seiner Machete Ausschau, aber es war nichts zu sehen. Er ließ die Hand unter sein Hemd gleiten, aber sein gutes kleines Messer war ebenfalls verschwunden.
Er begegnete Fernandez’ Blick.
»Mit
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