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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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te, daß sein Pferd gestorben war, weil sie ihm nicht Bescheid gesagt hatte, und obwohl er gegen die Wölfe hatte kämpfen wollen, hatte er sie deswegen nicht geschlagen. Als sie die umgelegte Pappel erreicht hatten und er sich an die Arbeit machte, dachte sie weiter darüber nach. Die anderen Männer, die sie bisher gekannt hatte, hätten sich jederzeit von ihren Launen hinreißen lassen. Selbst Weed hatte sie immer geschlagen, wenn ihm danach zumute war, nur um ihr zu zeigen, wer der Herr im Hause war.
    Als er so viel Holz zurechtgehackt hatte, daß Saura bis in die wärmere Jahreszeit versorgt war, ließ Ted die Axt in einem Stamm stecken und lehnte sich an eine Pappel.
    »Erzählen Sie mir von den Ruinen«, sagte er.
    Saura zuckte die Achseln. Sie verstand nicht, wieso er sich so für die Ruinen interessierte. »Ich bin etwa fünfzehn Sommer nicht mehr dort gewesen«, sagte sie, »und wie man so erzählt, haben sie sich sehr verändert.«
    »Wie waren sie denn, als Sie dort waren?«
    Saura starrte zum Horizont und versuchte sich zu erinnern. »Sie waren groß, einige sehr hoch, aber das Seltsame war, daß sie sich meilenweit erstreckten – jedenfalls die niedrigen.« Sie schwieg einen Moment. »Ich konnte einfach nicht begreifen, wie so viele Menschen so dicht zusammen leben konnten – denken Sie allein an das Nahrungsproblem! Ich hatte immer das Gefühl, sie hatten sich gegenseitig aufessen müssen.«
    »Ich verstehe den Grund dafür nicht. Bei uns auf dem Hof leben eine Menge Leute, und wir essen uns auch nicht gegenseitig.«
    »Nicht mal im längsten Winter?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Saura starrte ihn stirnrunzelnd an. »Wie ist das Leben auf einem solchen Hof?«
    »Während meiner Abwesenheit wohnen dort zwölf Menschen. Wir hatten immer ausreichend zu essen, weil wir viele Rinder und Schafe hatten. Vor seinem Tod ritt mein Großvater oft zu den Ruinen und holte sich haufenweise Bogen und Pfeile und auch Armbrüste und Schußwaffen, so daß uns die Banden nie Kummer gemacht haben. Außerdem wohnen wir ohnehin viel zu weit nördlich.«
    »Was ist Armbrüste?« Das andere Wort, das er verwendet hatte, bedeutete ihr noch weniger; sie erinnerte sich schon nicht mehr daran.
    Ted sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, Sie glaubte deutlich zu erkennen, daß er sie für dumm hielt. »Eine Armbrust schießt Pfeile ab – schneller und mit größerer Schußkraft als ein normaler Bogen.«
    »Sie sagten, Ihr Großvater wäre vor dem Kampf bei den Ruinen gewesen. Wie waren sie denn damals? Meine Mutter hat mir immer erzählt, sie wären eine Art siebenter Himmel, aber auch sie ist erst lange nach dem Kampf geboren, und sie weiß daher nur, was ihre Mutter ihr erzählt hat. Sie sagte immer, Gott hätte den Kampf heraufbeschworen, und daß ich nur jeden Tag beten möchte, damit das nicht wieder geschieht.«
    Ted runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, daß Gott damit angefangen hat«, sagte er. »Großvater hat ge sagt, die Führer dieses Landes und eines anderen Landes hätten ihn ausgelöst.«
    »Warum?«
    Ted schüttelte den Kopf. »Er wußte es nicht.«
    »Wie waren denn die Ruinen damals?«
    »Er sagte, daß es so viele Menschen gegeben hätte, daß man sie überhaupt nicht zählen konnte. Sie bewegten sich in metallenen Fahrzeugen – wir haben noch einige bei uns auf dem Hof stehen, aber sie fahren nicht mehr –, und sie hatten immer ausreichend zu es sen und eine Schlafstätte. Sie brauchten sich auch keine Sorgen zu machen, ermordet zu werden, denn sie hatten sich zusammengesetzt und gewisse Regeln vereinbart.«
    »Wenn das alles so herrlich war, warum haben sie sich dann bekämpft?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ted offensichtlich verärgert. »Warum hat die Bande Ihren Mann umgebracht?«
    Sie dachte eine Sekunde darüber nach und entledig te sich dann des Problems mit der Feststellung: »Meine Mutter hat immer gesagt, daß einige Menschen an Gott glaubten und daher gut wären. Andere hätten diesen Glauben nicht und wären schlecht.«
    Ted kratzte sich einen Moment den Bart, ehe er antwortete. »Das glaube ich nicht. Meine Leute haben nie von Gott gesprochen, aber sie waren nicht schlecht.«
    »Aber sie müssen es gewesen sein«, stellte Saura fest.
    »Was ist denn überhaupt gut, und was ist schlecht?« fragte Ted.
    Saura biß sich auf den Fingerknöchel. Sie saß auf dem Stapel Holz, den Ted gehackt hatte, und hatte die Beine unter dem Rock zurückgeschlagen. Schließlich sagte sie: »Sie sind gut,

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