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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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→ ABS , → CDO oder → Zertifikate glänzend gelingt. Andererseits muss man den Entscheidungsträgern, die für solche Transaktionen zuständig sind, den permanenten Neuerwerb von Finanzinstrumenten, beziehungsweise die fortlaufende Umschichtung von Vermögen nur richtig schmackhaft machen. Folglich werden wohlhabende Privatanleger, Fondsmanager, Verwalter von → Pensionsfonds sowie staatliche Entscheidungsträger immer wieder gezielt angesprochen. Alles im Interesse der Rendite. Ob die steigt, steht dahin, jedenfalls verdient der Investmentbanker an fast jeder Transaktion.

J
    Lottoannahmestelle mit Steuervergünstigung
    Jeder kann gewinnen (aber nicht alle). Finanzprodukte sind inzwischen so komplex und undurchschaubar, dass es viel Mühe kostet herauszufinden, welcher Beteiligte nun von der Anlage profitiert, und wer leer ausgeht. Mitunter bedarf es einer Gesetzesänderung, um kollektiven Jubel in der Finanzbranche auszulösen. Und auch mit modernen junk bonds , sprich: Staatsanleihen, kann man unter Umständen wieder Geschäfte machen.

Jeder kann gewinnen (aber nicht alle)
    Ein Anleger hat vor einem Jahr 10 000 Euro in einen sicheren Pfandbrief (vgl. → ABS ) investiert, der ihm jährlich 2,5 Prozent Zinsen bringt. Das ist ihm jetzt zu langweilig. Ein Freund erzählt ihm etwas von neuen, tollen Zinsprodukten. Sein Anlageberater hat auch schon etwas auf Lager: eine »Zins Collect Anleihe«.
    »Das ist ganz einfach«, legt der Anlageberater los. »Dieses »innovative Produkt« ist an die Wertentwicklung von 20 großen und sehr ertragsstarken europäischen Aktiengesellschaften gekoppelt. Wir schauen dann nach einem Jahr, wie sich die besten 15 dieser Gesellschaften entwickelt haben. Das Schöne aber ist: Auch wenn bei allen oder auch bei einigen der 15 Unternehmen Kursrückgänge vorliegen, kriegen Sie 7 Prozent. Die sind garantiert.«
    Von 7 Prozent ist der Kunde schon mal begeistert. »Was ist aber mit den restlichen 5 Gesellschaften?«, fragt er.
    »Deren durchschnittliche Wertentwicklung kommt hinzu, oder sie wird – im Fall von Kursverlusten – abgezogen. Aber« – der Berater hebt den rechten Zeigefinger – »auf jeden Fall erhalten Sie einen Mindestverzinsung von insgesamt 1,2 Prozent im Jahr.«
    Es sei noch eine dritte Komponente zu berücksichtigen, fährt der Berater fort. Wenn nämlich insgesamt mindestens 14 Prozent Zinsen gezahlt worden seien (z.B. im ersten Jahr 7 Prozent, im zweiten Jahr 7,5 Prozent) gebe es für die gesamte Restlaufzeit nur noch 3 Prozent Zinsen pro Jahr. So lange jedenfalls, bis die Bank, die jene Zins Collect Anleihe an den Markt gebracht hat, kündigt.
    Alles klar?
    So sieht die Wirklichkeit bei den modernen, strukturierten Anlageprodukten aus. Die schlichte Grundform einer Geldanlage, also die Hergabe einer bestimmten Anlagesumme gegen das Versprechen auf feste Verzinsung und Rückzahlung am Ende der Laufzeit, wird durch Wenn-dann-Szenarien ergänzt. Diesen Szenarien wiederum liegen bestimmte Ereignisse mit jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten zugrunde. Folglich wird der Kreis derer, die direkt oder indirekt in das Schicksal des betreffenden Produktes involviert sind, erheblich ausgeweitet.
    In unserem Beispiel wird die Höhe der Zinszahlung an bestimmte Ereignisse gebunden. Die Finanzindustrie ist außerordentlich kreativ, so dass es eine Fülle weiterer Möglichkeiten gibt. Auch Rückzahlungsmodalitäten können ereignisbasiert festgezurrt werden. Und die Zahl möglicher Ereignisse ist unendlich groß. Bisher kamen hier sogar schon Fußballergebnisse zum Einsatz. So etwas bringt natürlich auch eine emotionale Komponente ins Spiel. Der Fan des FC Bayern München oder des FC Schalke 04 freut sich dann nicht nur über einen weiteren Sieg seiner Mannschaft, sondern auch über den damit verbundenen Zinszuwachs seiner strukturierten Anleihe. Beziehungsweise: Er bewertet eine Zinseinbuße nicht ganz so negativ, weil diese schließlich auf das Versagen des Lieblingsvereins im letzten Heimspiel zurückzuführen ist.
    Unser Kunde muss jetzt – ebenso wie alle anderen Anleger, die sich strukturierte Produkte aufschwatzen lassen – lernen, in Szenarien zu denken. Schauen wir genauer hin: Zwanzig durch den Emittenten der Zins Collect Anleihe (also nach des Emittenten Gusto) ausgewählte Aktiengesellschaften sind die Determinanten für die Höhe der Zinszahlung. Diese Gesellschaften werden wiederum in zwei Gruppen (15 und 5) aufgespalten. Bei der größeren Gruppe können

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