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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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(Ledige), beziehungsweise 1 602 Euro (steuerlich zusammen veranlagte Eheleute) ist dabei »freigestellt«. Wer im Endeffekt auf seine Kapitalerträge eine Steuerbelastung von weniger als 25 Prozent hat, kann sich die Abgeltungsteuer teilweise vom Staat zurückholen; für denjenigen, der darüber liegt, ist die Steuer jedoch durch den Abzug von 25 Prozent »abgegolten«, er muss also nichts nachversteuern.
    Dies ist eine Bevorteilung Vermögender, eine Subvention für den Produktionsfaktor Kapital und eine Benachteiligung des Produktionsfaktors Arbeit. Ein kleines Rechenbeispiel mag dies verdeutlichen:
    Ein lediger Arbeitnehmer erwirtschaftet aufgrund seines Gehaltes ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 60 000 Euro. Darauf zahlt er gemäß Grundsteuertabelle 2013 (ohne Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) 16 897 Euro Einkommensteuer. Verdient er aufgrund einer Beförderung im nächsten Jahr so viel mehr, dass er auf ein zu versteuerndes Einkommen von 65 000 Euro kommt, fallen 18 997 Euro Einkommensteuer an. Damit liegt der gute Mann beim Spitzensteuersatz für »NichtReiche« von 42 Prozent, denn auf den zusätzlichen 5 000 Euro lastet eine 42-prozentige Steuermehrbelastung von 2 100 Euro. (Für zu versteuernde Einkommen ab 250 731 Euro bei Ledigen beziehungsweise 501 462 EUR für steuerlich zusammen veranlagte Ehepaare gilt der Spitzensteuersatz von 45 Prozent, auch »Reichensteuer« genannt.) Hat unser Arbeitnehmer jedoch zu versteuernde Mehreinnahmen in Höhe von 5 000 Euro aus Zinsen, Dividenden oder Kursgewinnen, ist die Steuerschuld mit dem Abzug von 25 Prozent = 1 250 Euro abgegolten. Damit fallen im Vergleich zu den Arbeitseinkünften 850 Euro Steuern weniger an.
    (Nebenbei bemerkt: Das Argument, eine Besteuerung von Kapitalvermögen sei ungerechtfertigt, weil Vermögensanlagen aus bereits versteuertem Einkommen gebildet würden, ist ziemlich albern. Denn auch Konsumausgaben werden aus versteuertem Einkommen bestritten und unterliegen gleichermaßen einer »Nachversteuerung« über die Mehrwertsteuer und diverse Verbrauchssteuern wie Kraftstoff-, Tabaksteuer etc. Und im Gegensatz zu den Regelungen bei Kapitalerträgen, in denen ein Freibetrag von 801 Euro beziehungsweise 1 602 Euro besteht und die Steuersätze progressiv gestaffelt sind, fehlen bei Mehrwertsteuer und Co. sämtliche soziale Komponenten – diese Steuern belasten alle im gleichen Maße, vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Vorstandsvorsitzenden. Preisfrage: Hat sich jemals einer derjenigen Politiker und Wirtschaftsvertreter, die sich stets so vehement für Steuersenkungen aussprechen, in gleicher Weise für eine Senkung von Mehrwertsteuer und Verbrauchssteuern starkgemacht? Doch – Moment! Da gab es ja vor einigen Jahren diese grandiose Mehrwertsteuersenkung für Hotelbetriebe. Aber hier sieht man halt das Prinzip: Es geht den → Neoliberalen lediglich um die Sicherung und Ausweitung von Privilegien für Gut- und Besserverdiener. Eine allgemeine Mehrwertsteuersenkung passt da nicht ins ideologische Programm.)
    Private Altersvorsorge sowie die steuerliche Begünstigung von Kapitalerträgen kurbeln den Absatz einschlägiger Produkte und heizen die Kreativität der Finanzmathematiker an. Das Potenzial an solchen Produkten ist, wie wir schon verschiedentlich gesehen haben, unerschöpflich. Die vor etwa 20 Jahren noch allseits bekannten junk bonds muten da geradezu altmodisch gegen an. Aber sie sind zurückgekehrt.

junk bonds (high yield bonds)
    Die Kurscharts, die der smarte Anlageberater einem risikofreudigen Kunden vorlegt, sehen grauenhaft aus. Dieser 10,5-Prozent-Bond der XX-Corp. aus Michigan/USA zum Beispiel: Im Dezember 2009 noch bei 85 Prozent und ein Jahr später bei 45 Prozent, ist er jetzt, Mitte 2013, heruntergerauscht auf knapp 20 Prozent.
    »Das Engagement kann sich jedoch richtig lohnen«, sagt der Berater. »Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dass dieser Bond aus dem Konkursverfahren der XX-Corp. nach Chapter 11 mit 35 Prozent bedient wird. Das wäre eine Kurssteigerung von 15 Prozent. Und Ihr Kapitaleinsatz ist ja gering.«
    Der Berater hat noch weitere junk bonds auf Lager. Bei hinreichend großer Zahl von Engagements, so sein Credo, müssten unter dem Strich überaus hohe Gewinne herausspringen.
    Das ist das alte Credo von Michael R. Milken. Der 1946 geborene Investmentbanker galt in den 1980er Jahren neben anderen Börsengrößen wie Ivan F. Boesky und Carl C. Icahn als Sinnbild für die Gier

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