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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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weder Pharmahersteller noch Klinikbesitzer, Apotheker oder Arzneimittelgroßhändler ist. Man muss nur einen Informationsvorsprung ausnutzen.
    Cheng Yi Liang hatte sich über Jahre hinweg mit Insiderwissen 3,6 Millionen US-Dollar zusammenspekuliert, bis ihm die Aufsichtsbehörde SEC (United States Securities and Exchange Commission) 2011 auf die Schliche kam. Als ranghoher Mitarbeiter der amerikanischen Medikamentenzulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) wusste Liang einige Stunden oder Tage vor einer offiziellen Verlautbarung seiner Behörde bereits, welche neuen vielversprechenden Medikamente eine Zulassung für das Gesundheitssystem erhalten würden. Damit war er der Börse eine entscheidende Nasenlänge voraus. Über insgesamt sieben auf den Namen von Strohmännern und -frauen lautende Depots (unter anderem spannte er seine über 80-jährige, in China lebende Mutter ein) kaufte er vor der Veröffentlichung einer Zulassungsmitteilung Aktien des entsprechenden Herstellers. Zum Beispiel Viibryd: Eine Presseinformation über die Zulassung dieses neuen Antidepressivums des Pharmaherstellers Clinical Data wurde am 21. Januar 2011 veröffentlicht. Bereits ab dem 6. Januar war Liang aktiv geworden und hatte Clinical-Data-Aktien zusammengekauft, insgesamt 46.875 Stück. Am 24. Januar versilberte er diese mit einem Gesamtgewinn von fast 400 000 Dollar. Zum Verhängnis wurde ihm die Nachlässigkeit, dass er alle Transaktionen über ein und denselben Computer abgewickelt hatte, dessen IP-Adresse ihn schließlich der SEC ans Messer lieferte.
    Auch in Deutschland sind Insidergeschäfte nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) unter Strafandrohung verboten. Als Insider ist jeder anzusehen, der aufgrund seines Berufs, seiner Tätigkeit oder in sonstiger Weise Kenntnis von einer nicht öffentlich bekannt gemachten Tatsache hat, die im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet ist, den Kurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen. Unter einer kursbeeinflussenden Tatsache fällt unsere Medikamentenzulassung ebenso wie eine bevorstehende Fusion oder eine erhebliche Gewinnänderung. Insiderinformationen sind das Spiegelbild der sogenannten Ad-hoc-Mitteilungen. Gemäß WpHG sind börsennotierte Unternehmen nämlich zur sofortigen Veröffentlichung kursrelevanter Informationen verpflichtet. Insider sind somit genau jene Personen, die bereits vor der Publizierung einer entsprechenden Tatsache von dieser Tatsache Kenntnis haben.
    Insiderprobleme und -prozesse gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Ein spektakuläres Beispiel lieferte vor einiger Zeit die Wall-Street-Größe Raj Rajaratnam. Der Manager eines großen → Hedgefonds wurde im Oktober 2011 zu elf Jahren Haft verurteilt, weil er im großen Stil illegale Aktiengeschäfte getätigt hatte. Rajaratnam war es im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit in den Tempeln der Finanzindustrie gelungen, ein Netzwerk von Informanten aufzubauen. Diese verrieten ihm mehrfach Interna aus börsennotierten Unternehmen. Mit dem so erworbenen Wissen hatte Rajaratnam dann an der Börse spekuliert und Millionenprofite eingestrichen.
    Für Otto Normalverbraucher gibt es eine simple (und nicht strafbare) Möglichkeit, sich an die Welt der Insider heranzupirschen: Man beobachtet, was angebliche Insider so tun. Da das WpHG auch eine Pflicht zur Veröffentlichung aller Wertpapiertransaktionen von Entscheidungsträgern in börsennotierten Unternehmen (Vorstände, Aufsichtsräte etc.) vorsieht, geht man auf eine Internetseite wie beispielsweise insiderdaten.de . Dort erfährt man dann, dass Herr X, Aufsichtsratsvorsitzender der Y-AG, am 14. Oktober 23 000 Aktien seines Unternehmens gekauft hat. Also folgt man seiner Entscheidung und deckt sich ebenfalls ein. Natürlich ist dies nicht der sichere Weg zum Reichtum, aber es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Y-Aktie in der Folgezeit steigen wird. Herr X wäre natürlich ganz schön dämlich, wenn es einen Tag nach seinem Kauf zu einer sensationellen Ad-hoc-Mitteilung seines Unternehmens käme. Dann hätte er sofort die Börsenaufsicht am Hals. Außerdem kann es sein, dass Herr X in puncto Einschätzung seines eigenen Unternehmens genau so schiefliegt wie viele Analysten, die heute noch die Y-Aktie preisen, um dann zuzusehen, wie sie in den nächsten Wochen in den Keller rutscht.
    Aber es gibt durchaus Leute, die sich mit solchen Spielchen beschäftigen und versuchen, aus einer Website wie insiderdaten.de »fähige« und

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