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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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sich die Aktienkurse bewegen, wohin sie wollen – es gibt in jedem Fall 7 Prozent Zinsen. Die schlechtesten fünf Aktiengesellschaften (wer wird das wohl sein???) können jedoch das Gesamtergebnis gewaltig drücken. Die Zahl möglicher Szenarien ist außerordentlich vielfältig. Zum Beispiel könnte Folgendes passieren:
    • Positive Kursentwicklung bei allen 20 Werten: Hier wird die dritte Komponente wirksam. Die 14 Prozent-Gesamtzinszahlung wird schnell erreicht; für den Rest der Laufzeit gibt es 3 Prozent pro Jahr, solange keine Kündigung erfolgt. Der Anleger realisiert insgesamt eine attraktive Verzinsung.
    • Schlechte Kursentwicklung bei allen 20 Werten: Die schlechtesten 5 Gesellschaften ziehen die Grundverzinsung von 7 Prozent nach unten. Wenn sie besonders schlecht abschneiden, erwirtschaftet die Anlage über die ganze Laufzeit hinweg einen Zins von 1,2 Prozent per annum .
    • Unterschiede in den Kursentwicklungen aller 20 Werte: Hier wird das Bild völlig diffus. Es reicht ein Ausreißer, also eine ganz besonders schlecht abschneidende Aktie aus dem Auswahlkorb des Emittenten, um das Zinsergebnis zu drücken.
    Einen Profiteur gibt es aber in jedem Fall: Nach dem Grundsatz »Die Bank gewinnt immer« hat der Emittent sein Risiko einer über dem Marktzins liegenden Zinszahlungsverpflichtung durch den finanzmathematisch exakt austarierten Einsatz von Sicherungsinstrumenten (vgl. → Derivate ) abgefedert. Damit wurden jedoch zusätzliche Beteiligte in Geiselhaft genommen, denn für jede Sicherungsvereinbarung gibt es einen Kontrahenten, der gegen die Bank wettet.
    Banken als Lotteriegesellschaften:
    • Es gibt »Lottokönige«, also einige wenige Marktteilnehmer, die in starkem Maße profitieren.
    • Es gibt andererseits sehr, sehr viele Teilnehmer, die ihren Einsatz verlieren.
    • Und es gibt die Lotteriegesellschaft (Emittent), die kein Risiko eingeht und darüber hinaus ihren Verwaltungs- und Vertriebsapparat üppig alimentiert.
    Fehlt eigentlich nur noch ein angemessenes steuerliches Umfeld.

Jubel (kollektiver)
    Peter Müller hat 1980 aus tiefer Überzeugung die Grünen gewählt. Die Zeit für eine ökologische und soziale Politik war reif. 1980 kam die neue Partei zwar nur auf 1,5 Prozent, aber schließlich schaffte sie 1983 mit einem beachtlichen Zugewinn von 4,1 Prozent den Einzug in den Bundestag. Fünfzehn Jahre später konnten die Grünen zusammen mit der SPD Regierungsverantwortung im Bund übernehmen. Da waren sie dann endgültig im Establishment angekommen, hatten ihre selbst gehäkelten Pullover abgestreift und sich in Armani-Anzüge gehüllt.
    Spätestens zu diesem Zeitpunkt kamen Peter Müller, den man nach alter Grabenkampf-Terminologie als »Fundi« bezeichnen würde, Zweifel an der Lauterkeit und Aufrichtigkeit der »Realo-Fraktion« seiner Partei. Wie hieß es doch im Bundesprogramm 1980 der Grünen so schön:
    Wir sind grundsätzlich gegen jegliches quantitatives Wachstum, ganz besonders dann, wenn es aus reiner Profitgier vorangetrieben wird. (…) Wir sind für soziales Wachstum, besonders für die eindeutig Benachteiligten unserer Gesellschaft.
    Soziales Wachstum, das insbesondere den »eindeutig Benachteiligten« zugutekommt? Warum – so fragte sich Peter Müller Ende des Jahres 1999 – haben die Grünen dann an diesem Weihnachts-Steuergeschenk für Finanzkonzerne mitgewirkt? Ein Milliardengeschenk: die steuerfreie Veräußerung von Anteilsbesitzen. Nach Aussage des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder war dies eine notwendige Maßnahme zur »Entflechtung der Deutschland-AG«.
    Die »Deutschland-AG« – jenes Phänomen, das im Raum Köln als »Klüngel« bezeichnet wird. Man kennt sich, man versteht sich, man hilft sich gegenseitig. Alle hängen zusammen. Deutsche Banken und Versicherungen hatten im Verlauf der bundesrepublikanischen Geschichte große Unternehmensbeteiligungen in ihren Bilanzen angehäuft. Damit waren nicht nur üppige Dividenden verbunden, sondern auch schöne Posten in Aufsichtsräten. Es gab kaum eine Firma, bei der die Finanzindustrie nicht ein gewichtiges Wort mitreden konnte. Diese Kuschelwirtschaft hatte jedoch angeblich auch zur Folge, dass deutsche Großkonzerne mit internationalen Konkurrenten nicht mehr Schritt halten konnten, weil das System angeblich zu unflexibel, zu wenig innovativ war. Damit waren Investitionen und in der Folge Arbeitsplätze in Gefahr. So jedenfalls die offizielle Begründung für die geplante Gesetzesänderung.

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