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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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toxische Wertpapiere zu viel in seinem Wertpapierbestand? Im Endeffekt führte dieses ausufernde Misstrauen dazu, dass sich die Bankenlandschaft in winner und loser spaltete:
    • Die winner hatten keine Probleme. Ihr Abschreibungsbedarf bei den toxischen Papieren hielt sich in Grenzen und sie kamen nicht in Liquiditätsschwierigkeiten. Zu den winnern gehörte übrigens auch die Deutsche Bank, deren damaliger Chef Josef Ackermann (jener Bankmanager, der eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent für angemessen befunden hatte; vgl. → Eigenkapital und seine Rendite ) im Oktober 2008 mit den Worten zitiert wurde: »Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.«
    • Die loser hatten große Probleme. Ihr Abschreibungsbedarf bei den toxischen Wertpapieren war enorm, und sie gerieten in Liquiditätsschwierigkeiten. Bei den losern standen die deutschen Landesbanken an vorderster Front.
    Die winner waren also nicht mehr bereit, den losern Geld zu geben. Sie legten ihre überschüssigen Mittel bei der EZB in der sogenannten Einlagefazilität zu einem mageren Zinssatz an und reagierten damit gerade so wie die viel bespottete Oma, die mit ihrem roten Sparkassenbüchlein zufrieden ist, das ihr einen Zinssatz von 0,25 Prozent verspricht. Inzwischen ist auch die Bankenwelt im Großmutter-Sektor gelandet. Zeitweilig wurden 2012 mehr als 800 Milliarden Euro in der Einlagefazilität zum Traumzins von 0,25 Prozent geparkt. Auch nachdem die EZB den Guthabenzinssatz auf 0,0 Prozent im Juli 2012 gesenkt hatte, tauchten dort durchschnittlich immer noch Gelder im Volumen von etwa 300 Mrd. Euro auf. Der nächste Schritt sind »Minuszinsen« für Anlagegelder von Banken; auch hierüber wird im Hause der EZB bereits diskutiert. Dann würden die Banken quasi ein Entgelt dafür zahlen, dass sie überschüssiges Geld sicher bei der EZB anlegen dürfen. Zur Erinnerung: Für kurzfristige Kredite müssen die Banken bei der EZB seit Mitte 2012 einen Zins von 0,75 Prozent und seit Mai 2013 lediglich 0,5 Prozent berappen.
    Natürlich verhält es sich nicht so, dass die Bank X oder die Sparkasse Y einen Dreijahreskredit der EZB von 100 Millionen Euro zu 0,5 Prozent in Anspruch nimmt und dieses Geld prompt bei der EZB zum Guthabenzins von 0,0 Prozent anlegt. Aber dieses Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die Hilflosigkeit der EZB. Sie wendet die angelsächsische Methode an: Krisenbekämpfung durch Geldüberflutung. Geld, das nicht in realwirtschaftliche Verwendungen fließt (vgl. → Kreditklemme ), sondern im Finanzsektor verbleibt. An die Lösung der Strukturprobleme des Bankensektors (mangelhafte Finanzmarktregulierung und zu geringe Eigenkapitalausstattung) wagt man sich nicht heran.

N
    So nah und doch so fern …
    Heutzutage laufen Optionsscheine nur noch nackt herum: Sie haben jeglichen Bezug zur Realwirtschaft verloren. Naked warrants sind ein weiteres Sinnbild für die schöne neue Finanzwelt. Das und noch vieles mehr haben wir den Neoliberalen zu verdanken. Gegenüber nackten Optionsscheinen mutet das normale Kreditgeschäft geradezu bieder an – es sei denn, man begibt sich in die Welt der ninja loans . Wer ganz diskret seine Bankgeschäfte betreiben möchte, bevorzugt nach wie vor das Nummernkonto.

naked warrants
    Die XY AG ist eine mittelgroße Aktiengesellschaft. Das für Investitionen notwendige Kapital kann sie sich über Bankkredite, die Ausgabe von Schuldverschreibungen (Anleihen) oder eine Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien beschaffen. Bei den ersten beiden Möglichkeiten nimmt das Unternehmen Fremdkapital auf, mit einer Grundkapitalerhöhung wird Eigenkapital beschafft.
    Das Aktiengesetz gibt Aktiengesellschaften noch eine weitere Möglichkeit der Geldbeschaffung, eine Art Mischform: Sie könnte ihren Aktionären den Kauf einer Optionsanleihe schmackhaft machen. Das würde dann zum Beispiel wie folgt aussehen:
    Angebot an unsere Aktionäre: Bezug einer Optionsanleihe
    • Volumen der Anleihe: 125 Millionen Euro
    • Zinssatz: 3,25 Prozent
    • Laufzeit: 5 Jahre
    • Optionsrecht: Je 1 000 Euro Nennwert der Anleihe können nach Ablauf des ersten Laufzeitjahres 40 Aktien zum Preis von 23 Euro je Aktie bezogen werden
    Normalerweise müsste die XY AG aufgrund der Bonitätseinschätzung von → Finanzanalysten in den Ratingagenturen (vgl. → Rating ) ihren Fremdkapitalgläubigern einen Zinssatz von etwa 7 Prozent anbieten. Für die Optionsanleihe fallen lediglich 3,25 Prozent an. Das

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