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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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ist für das Unternehmen deutlich günstiger, aber auch für die Aktionäre könnte es sich trotzdem lohnen, der XY AG über die Optionsanleihe Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Denn sie erhalten mit dieser Anleihe ja ein ZusatzBonbon – das Optionsrecht. Je 1 000 Euro Nennwert hat der Anleihenkäufer nach einem Jahr bis zum Ende der Laufzeit der Optionsanleihe die Möglichkeit, seinen bisherigen Aktienbesitz um 40 weitere XY-Aktien für 23 Euro je Aktie zu kaufen. Ein lohnendes Geschäft, sollte der Aktienkurs an der Börse später deutlich über 23 Euro steigen. Die niedrigere Grundverzinsung könnte der Anleger dann sehr gut kompensieren.
    Ein Aktionär, der dieses Angebot annimmt und die Optionsanleihe erwirbt, hat nicht nur einen Anspruch auf regelmäßige Zinszahlungen und Rückzahlung der Anleihe bei Fälligkeit, sondern auch das Recht, die zusätzliche Zahl von Aktien zu einem späteren Zeitpunkt für einen bereits jetzt vereinbarten Preis kaufen zu dürfen. Dies ist eine Kaufoption, ein → call . Die Option wird hier durch einen Schein verbrieft, der, ebenso wie die Zinsscheine, zusammen mit der Optionsanleihe geliefert wird. Die Anleihe enthält somit ein Element, das der Rubrik → Derivate zuzuordnen ist.
    Aber: Es handelt sich hier um ein Derivat, das in direktem Bezug zur Realökonomie steht. Über die Optionsanleihe verschafft sich die XY AG schon mal 125 Millionen Euro Fremdkapital zu einem für sie günstigen Zinssatz. Wenn die Geschäfte der AG in den nächsten Jahren gut laufen, der Aktienkurs des Unternehmens also steigt, vielleicht auch kräftig, und infolgedessen neue Aktien über die Optionsscheine bezogen werden, wird zusätzliches, frisches Eigenkapital generiert.
    Die Optionsanleihe ist jedoch so gut wie tot. Sie kommt in der Praxis ganz selten vor. Ein reges Eigenleben führt hingegen der Optionsschein – als »nackter« Schein, das heißt ohne Bezug zu einer Anleihe und damit ohne Bezug zur Realwirtschaft. Optionsscheine sind in der Form von naked warrants zu reinen Finanz-Spekulationsobjekten mutiert. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass sie nicht nur als Call-Schein (Spekulation auf steigenden Aktienkurs), sondern in Form eines → put (Spekulation auf sinkenden Aktienkurs) angeboten werden. Darüber hinaus beschränken sich die Optionsrechte bei naked warrants nicht auf Aktien; auch Scheine auf Börsenindizes (vgl. → Index ) oder → Rohstoffe und Nahrungsmittel sind gang und gäbe.
    Man hat die Optionsanleihe entkleidet und übrig blieb der nackte Optionsschein als Spekulationsinstrument. Auch diese Entwicklung ist ein Sinnbild für unsere moderne Finanzindustrie. Optionsscheine, die über eine Optionsanleihe begeben wurden, wiesen natürlich auch in den »alten« Börsenzeiten spekulativen Charakter auf; dennoch war ein realwirtschaftlicher Hintergrund Anlass für ihre Emission. Folglich sind heutzutage Kreditinstitute und nicht Industrie- oder Handelsunternehmen die Emittenten von naked warrants .
    Optionsscheine, die in Kombination mit einer Optionsanleihe herausgegeben werden, haben angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten, Spekulationsgeschäfte über naked warrants durchzuführen, keine Akzeptanz mehr bei den Anlegern. Unternehmen aus der Realwirtschaft haben sich auf diesen Trend eingestellt und bieten Optionsanleihen kaum noch an. Umso größer ist das Angebot an naked warrants.
    An der Stuttgarter Euwax, der bedeutendsten Börse für Optionsscheine in Deutschland, kann der geneigte Privatspekulant unter etwa 300 000 bis 400 000 dieser »nackten Scheine« wählen. Er erteilt dann seiner Bank einen Auftrag, der prompt ausgeführt wird. Auf diese Weise werden monatlich mehrere Hundert Millionen Euro Handelsvolumen erzielt. Das ist, gemessen an den in Finanzkreisen üblichen Losgrößen, gar nicht mal besonders viel. Beeindruckender sind da schon die Zahlen an der Computerbörse European Exchange, kurz Eurex, mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt/ Main, dort also, wo → Derivate ohne Wertpapierverbriefung, also ohne Options schein , gehandelt werden. Hier gehen in der Regel an jedem Börsentag mehrere Millionen Optionskontrakte mit einem Gesamtumsatz im zweistelligen Milliardenbereich über den virtuellen Tisch.

Neoliberale
    Der Begriff »Neoliberale« steht für Anhänger einer breiten Strömung, der verschiedene Schulen angehören. Zu nennen sind hier:
    • Freiburger Schule (Ordoliberalismus), deren Vertreter (unter anderem Walter Eucken und Franz Böhm) ein

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