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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Konzept für eine marktwirtschaftliche Ordnung schufen, innerhalb derer ökonomischer Wettbewerb in einem vom Staat geschaffenen Ordnungsrahmen stattfinden kann.
    • Chicagoer Schule, deren bekanntester Vertreter Milton Friedman sich als Monetarist profilierte. Nach Auffassung der Monetaristen ist die Regulierung der Geldmenge als wichtigste Stellschraube zur Steuerung des Wirtschaftsablaufs anzusehen (vgl. auch → Quantitätsgleichung ).
    • Österreichische Schule (bedeutsame Vertreter sind Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek), deren kennzeichnendes Element die Betonung der Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums ist. Nur eine im Wirtschaftsleben frei und unabhängig handelnde Person ist kraft ihrer Fähigkeiten und mittels ihres Drangs, das eigene Leben zu bestreiten, in der Lage, Güter für andere zu produzieren.
    Neoliberales »Gedankengut« bezieht sich, wie man aus den Ausrichtungen dieser Schulen ersehen kann, sowohl auf realökonomische als auch auf finanzökonomische Hintergründe. Der Neoliberalismus steht jedoch nicht nur für ein theoretisches Konstrukt. Er erfreut sich besonders in Kreisen von Politikern und Wirtschaftsvertretern einer außerordentlich großen Beliebtheit. Weil er die Freiheit so schön betont. Damit stößt er besonders bei der Partei, die das Freiheits-F in ihrem Namen führt, auf große Resonanz. Aber auch bei allen anderen Konservativen.
    Vertreter des Neoliberalismus verabsolutieren das Prinzip »freier Märkte«. Ein von staatlichen Einflüssen befreiter → Markt führt ihrer Ansicht nach aufgrund der jedem Individuum innenwohnenden Rationalität seiner Handlungen zu Entscheidungen, die zunächst zwar dem Individuum selbst, in der Folge jedoch auch der Allgemeinheit dienlich sind. So gesehen mündet Egoismus in kollektiven (und letztendlich globalen) Fortschritt. Noch mehr: Rationales Markthandeln befreit das Individuum von irrationalen Zwängen, denen es ansonsten unterworfen ist.
    Man muss den Neoliberalismus als das begreifen, was er in Wirklichkeit ist – als reine Ideologie. Seine Grundannahmen sind in weiten Teilen, beispielsweise durch die Verhaltensforschung, längst widerlegt:
    • → Deregulierung im Finanzwesen hat nicht zu mehr Freiheit, sondern zu extremen Fehlentwicklungen geführt, die Ausdruck finden in einer sich immer schneller wiederholenden Abfolge von Finanzkrisen.
    • Der angeblich so rationale → homo oeconomicus ist ein künstlich geschaffenes Konstrukt, ein Modell. Mit wirtschaftlichem Handeln, wie es sich in der Realität vollzieht, hat dieses Konstrukt nichts zu tun.
    • Märkte (vor allem Finanzmärkte) gleichen im Zeitalter totaler Vernetzung riesigen chatrooms , in denen es um Manipulation und Stimmungsmache geht (vgl. → Markt ).
    Ausgeblendet wird im Ideologiegebäude der Neoliberalen auch der Faktor Macht. Dabei geht es zum einen um die Marktbeherrschung durch große Konzerne (vor allem Finanzkonzerne; vgl. → Finanzindustrie ), denen es mühelos gelingt, politische Rahmenbedingungen in den Ländern, in denen sie tätig sind, gemäß ihren Vorstellungen zu steuern (vgl. auch → offshore ). Darüber hinaus zeigt sich ausuferndes (und staatlicherseits nicht gebremstes) »Freiheitshandeln« auch bei der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen bei der Konstruktion überkomplexer Finanzprodukte (vgl. → Kobold und Kolibri oder → CDO ). Bei dieser Konstruktion werden gleich mehrere Abstraktionsstufen beschritten: → Derivate leiten sich von den zugrunde liegenden Basiswerten ab (bei einer Option geht es um das Recht zum Kauf oder Verkauf eines Finanzproduktes; vgl. → call und → put ). Eine → CDO enthält strukturierte, handelbare Kreditbündel, die nach Gusto des Bündelnden zusammengestellt sind und sich damit von den zugrunde liegenden Krediten abheben. Noch abstrakter ist der Handel mit Kreditrisiken. Hier tritt das eigentliche → Produkt »Kredit« ganz in den Hintergrund, es wird vielmehr ein Handel mit der Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls betrieben (vgl. → synthetische CDO ). Man wettet also darauf, ob ein Kredit ausfällt oder nicht. Es ist kaum nachvollziehbar, dass so etwas überhaupt im Geschäftsmodell von Banken verankert sein kann. Aber es entspricht der Realität. Nur in einer deregulierten, »freiheitlich« agierenden Finanzwelt ist ein unkontrollierter Absatz solcher von realwirtschaftlichen Vorgängen abgekoppelter »Produkte« sanktionslos möglich.
    Neoliberale sehen keine Veranlassung, eine

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