Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
der Tunnel fort; dann kamen sie zu einer weiteren Tür, die seitlich in die Wand eingelassen war. Ein kleiner Aufzug brachte sie noch tiefer hinunter. Die Frau trug ein schlichtes, alles bedeckendes langes Kleid in Schwarz mit schmalen weißen Streifen.
    Der Lift hielt an. Sie betraten einen kleinen Flur, nicht größer als in einem Privathaus, ausgestattet mit Bildern und Topfpflanzen und mit einem gemaserten, rauchgrauen glatten Stein gefliest. Ein dicker Teppich dämpfte ihre Schritte, als sie einige Stufen hinuntergingen und auf einen großen Balkon traten, der auf halber Wandhöhe in eine große Halle hineinragte; ansonsten war die Halle überall mit Büchern oder Tischen bedeckt. Sie stiegen eine Treppe hinunter; unter dem Holz zu ihren Füßen waren Bücher, über dem Holz der oberen Abdeckung waren ebenfalls Bücher.
    Sie führte ihn um Büchergestelle, die auf dem Boden standen, und geleitete ihn an einen von Stühlen umgebenen Tisch. Am Tischende stand ein Apparat mit einem kleinen eingebauten Bildschirm; Bandspulen lagen daneben.
    »Warten Sie hier, bitte.«
    Beychae war in seinem Schlafzimmer und ruhte sich aus. Der alte Mann – glatzköpfig, das Gesicht tief zerfurcht, in Gewänder gehüllt, die den mäßigen Wanst verbargen, den er angesetzt hatte, seit er sich der Forschungsarbeit verschrieben hatte – blinzelte, als sie anklopfte und die Tür öffnete. Seine Augen strahlten noch immer.
    »Tsoldrin, entschuldigen Sie, dass ich Sie störe. Kommen Sie und sehen Sie doch, wen ich Ihnen als Besuch mitgebracht habe.«
    Er ging mit ihr durch den Korridor und blieb an der Tür stehen, und die Frau deutete auf den Mann neben dem Tisch, auf dem der Bildschirm stand.
    »Kennen Sie ihn?«
    Tsoldrin setzte eine Brille auf – er war altmodisch genug, sich zu seinem Alter zu bekennen, anstatt zu versuchen, es zu verbergen – und betrachtete den Besucher. Der Mann war ziemlich jung, mit langen Beinen und dunklen Haaren – nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden –, und hatte ein auffallend gut aussehendes Gesicht, dunkel durch jene Art von Bartwuchs, die durch bloßes Rasieren nie von der Oberfläche verschwindet. Die Lippen waren beunruhigend, wenn man sie ausschließlich betrachtete; sie erschienen grausam und arrogant, und erst wenn das Auge das übrige Gesicht ebenfalls mit einbezog, milderte sich dieser Eindruck, und der Betrachter musste zugeben – wenn auch vielleicht zögernd –, dass die dunkle Brille die großen Augen mit den dichten Brauen nicht ganz verbergen konnten, die so offen und ehrlich wirkten, dass der Gesamteindruck durchaus nicht unangenehm war.
    »Vielleicht bin ich ihm schon mal begegnet, ich bin nicht sicher«, sagte Beychae langsam. Er hatte das Gefühl, den Mann früher schon mal gesehen zu haben; sein Gesicht hatte etwas beunruhigend Vertrautes, selbst hinter der Brille.
    »Er möchte mit Ihnen sprechen«, sagte die Frau. »Ich habe mir die Freiheit genommen, ihm zu sagen, dass dieser Wunsch beiderseits bestünde. Er glaubt, dass Sie vielleicht seinen Vater gekannt haben könnten.«
    »Seinen Vater?«, sagte Beychae. Das konnte die Erklärung sein; vielleicht hatte dieser Kerl eine Ähnlichkeit mit jemandem, den er mal gekannt hatte, und das war der Grund für das seltsame, etwas unbehagliche Gefühl, das er empfand. »Nun«, schlug er vor, »lassen Sie uns doch mal hören, was er selbst zu sagen hat, meinen Sie nicht?«
    »Warum nicht?«, antwortete die Frau. Sie gingen hinaus in die Mitte der Bibliothek. Beychae straffte sich; er merkte, dass seine Haltung in letzter Zeit um einiges gebückter war, aber er war immerhin noch so eitel, dass er den Leuten aufrecht entgegentreten wollte. »Tsoldrin Beychae«, stellte die Frau vor. »Mr. Staberinde.«
    »Welche Ehre, Sir«, sagte er und sah Beychae mit einem merkwürdigen, eindringlichen Ausdruck an; sein Gesicht wirkte angespannt, lauernd. Er ergriff die Hand des älteren Mannes.
    Die Frau sah verblüfft aus. Der Ausdruck in Beychaes altem, gefurchtem Gesicht war unergründlich. Er stand da und sah den Mann an; seine Hand hing schlaff im Griff des anderen.
    »Mr… Staberinde«, sagte Beychae ohne Betonung.
    Beychae wandte sich an die Frau in dem langen schwarzen Gewand.
    »Danke.«
    »Gern geschehen«, murmelte sie und entfernte sich.
    Er konnte deutlich sehen, dass Beychae Bescheid wusste. Er drehte sich um und schritt auf einen Gang zwischen den Bücherregalen zu, wobei ihm nicht entging, dass Beychae ihm

Weitere Kostenlose Bücher