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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Er ging gerade vorsichtig eine vereiste Treppe hinunter, die auf eine breite Hängebrücke über eine Eisenbahngleisanlage führte. Die Jugendlichen kamen auf ihn zu, lachend und miteinander scherzend. Er teilte seine Aufmerksamkeit zwischen den hinterhältigen Stufen und der Gruppe. Sie wirkten sehr jung, und ihr ganzes Verhalten, die Gesten und schallenden Stimmen schienen vor Energie zu brodeln, sodass er plötzlich sein eigenes Alter spürte. Sie waren zu viert, und die jungen Männer versuchten, die Mädchen zu beeindrucken, indem sie laut redeten. Eins der Mädchen fiel besonders auf; es war groß und dunkel und elegant auf die unbekümmerte Art der gerade eben der Kindheit Entwachsenen. Er wollte den Blick nicht von ihr abwenden und drückte den Rücken durch, und kurz bevor es ihm die Beine wegriss, spürte er, wie sein Schritt etwas schwankend wurde.
    Er rutschte hinunter bis zur untersten Stufe, wo er einen Moment sitzen blieb, dann lächelte er dünn und stand auf, kurz bevor die vier jungen Leute auf seiner Höhe waren. (Einer der jungen Männer brach in wieherndes Gelächter aus und hielt sich mit großem Aufhebens eine mit einem Handschuh bekleidete Hand vor den hinter einem Schal verborgenen Mund.)
    Er wischte sich den Schnee von den Schößen des Regenmantels und schleuderte etwas davon auf den jungen Mann. Sie gingen an ihm vorbei und stiegen lachend die Treppe hinauf. Er schritt vorsichtig über die Brücke – wobei er das Gesicht verzog wegen des Schmerzes, der sich von seinem Gesäß über den Rücken zog – und hörte eine Stimme rufen; er drehte sich um und bekam einen Schneeball voll ins Gesicht.
    Er erhaschte noch einen Blick auf sie, wie sie lachend von der obersten Stufe wegrannten, aber er war zu sehr damit beschäftigt, sich den Schnee aus den Nasenlöchern und brennenden Augen zu wischen, um deutlich sehen zu können. Seine Nase pochte heftig, war jedoch nicht wieder gebrochen. Er ging weiter und überholte ein altes Paar, das Arm in Arm dahinschlich. Beide schüttelten sie den Kopf, schnalzten abfällig mit der Zunge und schimpften über die verdammten Studenten. Er nickte ihnen nur zu und rieb sich das Gesicht mit einem Handschuh trocken.
    Er lächelte, als er die Brücke verließ und weitere Stufen hinaufstieg zu einer Esplanade, die unter alten Bürogebäuden angelegt worden war. Früher, das wusste er, wäre er unangenehm berührt gewesen von dem, was ihm geschehen war; es wäre ihm peinlich gewesen, dass er ausgerutscht war, dass ihn jemand beim Ausrutschen beobachtet hatte, dass er von einem Schneeball getroffen worden war, nachdem er sich so tölpelhaft auf einen Zuruf hin umgedreht hatte, und dass das alte Paar Zeuge seines Gefühls der Peinlichkeit geworden war. Früher wäre er vielleicht den Jugendlichen nachgerannt, um ihnen zumindest Angst einzujagen, aber jetzt nicht mehr.
    Er blieb vor einer kleinen, an der Esplanade aufgestellten Bude stehen, wo heiße Getränke verkauft wurden, und bestellte sich einen Becher Bouillon. Er lehnte sich gegen den Stand und zog sich mit den Zähnen einen Handschuh aus, hielt den dampfenden Becher in der Hand und spürte die Wärme. Er ging zu dem Geländer, das den Platz umgab, setzte sich auf eine Bank und trank die Bouillon in langsamen, behutsamen Schlucken. Der Mann in der Getränkebude wischte die Theke ab, hörte dabei Radio und rauchte eine Keramikpfeife, die ihm an einer Kette um den Hals hing.
    Sein Hinterteil schmerzte noch immer dumpf von dem Sturz. Er lächelte der Stadt durch den von dem Becher aufsteigenden Dampf zu. Geschah ihm recht, sagte er sich.
    Als er ins Hotel zurückkehrte, hatten sie eine Nachricht für ihn hinterlassen. Beychae würde ihn gerne treffen. Sie würden ihm nach dem Essen einen Wagen schicken, sofern sie nichts Gegenteiliges von ihm hörten.
     
    »Das ist eine wunderbare Neuigkeit, Cheradenine.«
    »Na ja, kann schon sein.«
    »Du bist doch nicht immer noch pessimistisch, oder?«
    »Ich sage nur, erhofft euch nicht zu viel.« Er legte sich aufs Bett zurück und sah zu den Deckengemälden hinauf, während er über den Transceiver mit Sma sprach. »Gut möglich, dass ich ihn wirklich treffe, aber ich bezweifle, dass ich eine Chance habe, ihn herauszubekommen. Wahrscheinlich ist er inzwischen senil und wird sagen: ›He, Zakalwe; arbeitest du immer noch für die Kultur im Kampf gegen diese Gasköpfe?‹ In welchem Fall ich möchte, dass ich herausgeholt werde, abgemacht?«
    »Wir werden dich rausholen,

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