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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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verlassen? Er beschäftigte sich mit der Vorstellung, dass irgendein Zellgedächtnis, eine Knochenerinnerung ihm den Drang eingegeben hatte, hierher zu kommen, ausgerechnet hierher, wo die großen Schlachten geschlagen wurden, auf diesen gewaltigen, alles zermalmenden Tafelbergen aus Eis, gekalbt von riesigen Gletschern und wirbelnd wie Eiswürfel in einem planetengroßen Cocktailglas, ein zerstreuter Haufen von sich ständig bewegenden gefrorenen Inseln, einige davon hunderte von Kilometern lang, die die Welt zwischen den Polen und Wendekreisen umrundeten, deren breite Rücken ein weißes Ödland waren, gesprenkelt von Blut und Leichen und den Wracks von Panzern und Flugzeugen.
    Der Kampf um etwas, das unweigerlich schmelzen würde und niemals mehr Nahrung oder Mineralien oder ständigen Lebensraum bieten könnte, erschien fast wie eine bewusste Karikatur der herkömmlichen Narretei des Krieges. Er hatte Spaß am Kampf, doch selbst die Art und Weise, wie der Krieg ausgetragen wurde, störte ihn, und er hatte sich unter den anderen Piloten Feinde gemacht ebenso wie bei seinen Vorgesetzten, indem er seine Meinung offen geäußert hatte.
    Aber irgendwie wusste er, dass Saaz Recht hatte; es waren nicht seine Äußerungen im Kasino gewesen, die jemanden zu dem Versuch veranlasst hatten, ihn umzubringen. Wenigstens – so sagte ihm etwas in seinem Innern – nicht direkt…
     
    Thone, der Kommandeur der Schwadron, kam ihn besuchen; zur Abwechslung keine Schöntuerei.
    »Danke, Schwester«, sagte er an der Tür, dann schloss er sie, lächelte und kam zum Bett; er hatte den weißen Stuhl dabei. Er setzte sich darauf und reckte sich, damit seine Wampe weniger auffiel. »Nun, Captain Zakalwe, machen wir Fortschritte?«
    Ein blumiger Duft – Thones Lieblingsparfüm – ging von dem Mann aus. »Ich hoffe, dass ich in ein paar Wochen wieder fliegen kann, Sir«, sagte er. Er hatte den Kommandeur noch nie leiden können, strengte sich jedoch an, ein tapferes Lächeln zustande zu bringen.
    »Tun Sie das?«, sagte Thone. »Das meinen Sie jetzt. Die Ärzte sagen etwas anderes, Captain Zakalwe. Es sei denn, sie sagen zu mir etwas ganz anderes als zu Ihnen.«
    Er runzelte die Stirn. »Nun, vielleicht sind es… mehrere Wochen, Sir…«
    »Vielleicht müssen wir Sie nach Hause schicken, Captain Zakalwe«, sagte Thone mit einem unehrlichen Lächeln. »Oder zumindest zum Festland, da Ihre Heimat ziemlich abgelegen ist, wie ich gehört habe.«
    »Ich bin sicher, dass ich zu meinen Pflichten zurückkehren kann, Sir. Natürlich ist mir klar, dass es einen Reha-Urlaub geben wird, aber…«
    »Ja, ja, ja«, unterbrach ihn Thone. »Nun, wir müssen abwarten, nicht wahr? Hmm. Sehr gut.« Er stand auf. »Gibt es irgendetwas, das ich Ihnen…«
    »Es gibt nichts, das Sie mir besorgen können…«, setzte er an, dann sah er den Ausdruck in Thones Gesicht. »Ich bitte um Verzeihung, Sir.«
    »Wie gesagt, Captain, gibt es irgendetwas, das ich Ihnen besorgen kann?«
    Er senkte den Blick auf das weiße Bettzeug. »Nein, Sir. Danke, Sir.«
    »Eine rasche Genesung, Captain Zakalwe«, sagte Thone frostig.
    Er salutierte vor Thone, der nickte, sich umdrehte und ging.
    Er starrte auf den weißen Stuhl.
    Schwester Talibe kam nach kurzer Zeit herein, die Arme verschränkt, das runde, blasse Gesicht sehr ruhig und freundlich. »Versuchen Sie zu schlafen«, sagte sie und trug den Stuhl hinaus.
     
    Er wachte in der Nacht auf und sah die Lichter, die durch den Schnee draußen schimmerten; vor den Flutlichtern wurden die fallenden Flocken zu durchsichtigen Schatten, eine sanfte Masse im schroffen, nach unten strahlenden Lichtschein. Das Weiß jenseits davon verdichtete sich in der schwarzen Nacht zu Grau.
    Er wachte auf und hatte den Geruch von Blumen in der Nase.
    Er griff unter das Kopfkissen und fühlte die zusammengelegten Schenkel der scharfen, langen Schere.
    Er erinnerte sich an Thones Gesicht.
    Er erinnerte sich an den Instruktionsraum und die vier Kommandeure; sie hatten ihn auf einen Drink eingeladen und gesagt, dass sie sich kurz mit ihm unterhalten wollten.
    Im Dienstzimmer des einen von ihnen – er konnte sich nicht an ihre Namen erinnern, aber sie würden ihm bald einfallen, und bereits jetzt würde er sie wiedererkennen – fragten sie ihn über seine groben Äußerungen im Kasino aus, die ihnen zu Ohren gekommen waren.
    Und da er ein bisschen betrunken war, und da er sich für ungeheuer schlau hielt und dachte, er könnte etwas Interessantes

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