Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
töricht ihm das jetzt alles erschien. Zakalwe, Elethiomel, Staberinde; Livueta, Darckense. Die Namen glitten davon, weggeblasen von der kräftezehrenden Kälte des heulenden Windes. Er spürte, wie sein Gesicht schrumpfte, spürte, wie die Kälte durch die Haut und die Augäpfel zur Zunge und den Zähnen und Knochen vorstieß.
    Er riss eine Hand von dem Schnee hinter sich los; die Kälte hatte die abgehäutete Handfläche bereits betäubt. Er öffnete die Schlafanzugjacke, indem er Knöpfe abriss, und bot das verschrumpelte kleine Mal auf seiner Brust dem kalten Toben dar. Er legte die Hand auf das Eis hinter sich und hob den Kopf ein wenig an. Seine Halswirbel schienen zu knirschen und knarren, während er den Kopf bewegte, als ob seine Gelenke sich durch die Kälte festgefressen hätten. »Darckense…«, flüsterte er dem brodelnden, eisigen Schneesturm zu.
    Er sah die Frau, die ruhig durch den Sturm auf ihn zuschritt.
    Sie ging über die Oberfläche des hart gefrorenen Schnees, bekleidet mit hohen schwarzen Stiefeln und einem langen schwarzen Mantel mit schwarzen Pelzbesätzen an Kragen und Manschetten, und sie trug einen kleinen Hut.
    Ihr Hals und das Gesicht waren schutzlos der Kälte ausgesetzt, ebenso die bloßen Hände. Sie hatte ein längliches, ovales Gesicht und tief liegende dunkle Augen. Sie kam mit leichten Schritten auf ihn zu, und der Sturm schien sich hinter ihr zu teilen; er hatte das Gefühl, im Windschatten nicht nur ihres hoch gewachsenen Körpers zu sein, und er glaubte, etwas wie Wärme sickerte an all jenen Stellen durch seine Haut, die ihr zugewandt waren.
    Er schloss die Augen. Er schüttelte den Kopf, was etwas schmerzte, doch er tat es trotzdem. Er öffnete die Augen wieder.
    Sie war immer noch da.
    Sie hatte sich vor ihn hingekniet, die Hände auf einem der vom Rock bedeckten Knie gefaltet, das Gesicht auf gleicher Höhe mit seinem. Er spähte geradeaus und riss wieder eine Hand von dem Schnee los; sie war taub, doch als er sie nach vorn brachte, sah er das rohe Fleisch, das er vom Schnee losgerissen hatte. Er versuchte, ihr Gesicht zu berühren, doch sie nahm seine Hand in eine der ihren. Sie war warm. Er glaubte, in seinem ganzen Leben noch nie eine so herrliche Wärme gespürt zu haben.
    Er lachte, während sie seine Hand hielt und der Sturm sich um sie herum teilte und ihr Atem in der Luft Wölkchen bildete.
    »Gottverdammt«, sagte er. Er wusste, dass er sich erschöpft anhörte durch die erlittene Kälte und das Medikament. »Ausgerechnet ich als lebenslanger Atheist muss erleben, dass die gläubigen Arschlöcher auf der ganzen Linie Recht gehabt hatten!« Er röchelte und hustete. »Oder bereitest du denen ebenfalls eine Überraschung, indem du nicht erscheinst?«
    »Sie schmeicheln mir, Mr. Zakalwe«, sagte die Frau mit einer aufregend tiefen und erotischen Stimme. »Ich bin nicht der Tod oder irgendeine Phantasiegöttin. Ich bin so wirklich wie Sie…« Sie streichelte seine geschundene, blutende Handfläche mit einem langen, kräftigen Daumen. »Wenn auch ein bisschen wärmer…«
    »Oh, ich bin überzeugt davon, dass du wirklich bist«, sagte er. »Ich fühle es deut…«
    Seine Stimme verebbte; er blickte hinter die Frau. Dort tauchte ein riesiger Schemen aus dem wirbelnden Schnee auf. Grauweiß wie der Schnee, aber einen Ton dunkler, schwebte er hinter der Frau heran, leise und riesig und gewaltig. Der Sturm schien in seinem direkten Umkreis zu ersterben.
    »Das nennt man ein Zwölf-Personen-Modul, Cheradenine«, sagte die Frau. »Es ist gekommen, um dich abzuholen, sofern du abgeholt werden willst; zum Festland, wenn es dir recht ist. Oder noch weiter weg, zusammen mit uns, wenn dir das lieber ist.«
    Er war es leid, zu blinzeln und den Kopf zu schütteln. Welcher wahnsinnige Teil seines Gehirns auch immer dieses bizarre Spiel zu Ende treiben wollte, er musste für dessen Dauer bei Laune gehalten werden. Was das mit Staberinde und dem Stuhl zu tun hatte, hätte er nicht zu sagen vermocht, doch wenn es letztendlich darum ging – und worum sollte es sonst gehen? –, dann hatte es wenig Sinn, in seinem geschwächten, todgeweihten Zustand zu versuchen, dagegen anzukämpfen. Sollte es geschehen! Er hatte keine echte Wahl. »Mit euch?«, sagte er und versuchte zu lachen.
    »Mit uns. Wir möchten dir einen Job anbieten.« Sie lächelte. »Aber wollen wir uns nicht irgendwo unterhalten, wo es etwas wärmer ist, was meinst du?«
    »Wärmer?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite. »Im

Weitere Kostenlose Bücher