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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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du würdest mich mit diesem kränkenden Unsinn verschonen, anstatt mich mit der Wahrheit über meine Schwester verschonen zu wollen.«
    »Ich habe nur das getan, was meiner Meinung nach das Beste war«, erklärte er und bewegte sich auf sie zu, dann hielt er inne und zog sich zu der Ecke des Schreibtischs zurück, wo sie gesessen hatte.
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte sie schroff. »Die Angewohnheit, für alles die Verantwortung zu übernehmen, ergibt sich automatisch aus deiner außergewöhnlichen Position. Ich schätze, von mir wird zweifellos erwartet, dass ich dankbar bin.«
    »Livvy, bitte, musst du…?«
    »Muss ich was?« Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. »Muss ich dir das Leben unbedingt schwer machen, meinst du das?«
    »Ich möchte nichts anderes«, sagte er langsam und bemühte sich, nicht die Beherrschung zu verlieren, »als dass du versuchst… zu begreifen. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, einander in dieser schlimmen Zeit helfen…«
    »Du meinst, ich muss dir helfen, obwohl du Darckle nicht helfen wirst«, sagte Livueta.
    »Verdammt, Livvy!«, schrie er. »Ich tue mein Bestes! Es geht nicht nur um sie, es gibt noch eine Menge anderer Leute, um die ich mir Sorgen machen muss. All meine Männer, die Zivilbevölkerung in der Stadt, das ganze verdammte Land!« Er ging zu ihr hin, kniete vor der wuchtigen Couch nieder und legte die Hand auf dieselbe Armlehne, an der ihre Hand mit den langen Fingernägeln herumzupfte. »Livueta, bitte. Ich tue alles, was möglich ist. Hilf mir dabei. Gib mir Rückendeckung. Die anderen Kommandeure wollen angreifen; ich bin das Einzige, was zwischen Darckense und…«
    »Vielleicht solltet ihr angreifen«, sagte sie plötzlich. »Vielleicht ist das das Einzige, was er nicht erwartet.«
    Er schüttelte den Kopf. »Er hält sie im Schiff fest; das müssen wir zerstören, bevor wir die Stadt einnehmen können.« Er sah ihr in die Augen. »Vertraust du darauf, dass er sie nicht umbringt, sofern sie bei dem Angriff nicht getötet wird?«
    »Ja«, sagte Livueta. »Ja, das tue ich.«
    Er hielt ihrem Blick eine Zeit lang stand, überzeugt davon, dass sie klein beigeben oder zumindest wegsehen würde, doch sie sah ihn einfach nur an. »Nun«, sagte er schließlich, »dieses Risiko kann ich nicht eingehen.« Er seufzte, schloss die Augen und legte den Kopf auf die Armlehne. »Auf mir lastet ein so gewaltiger Druck.« Er versuchte, ihre Hand zu ergreifen, doch sie entzog sie ihm. »Livueta, glaubst du nicht, dass ich Gefühle habe? Glaubst du nicht, dass es mir sehr nahe geht, was mit Darckle geschieht? Glaubst du nicht, dass ich noch immer der Bruder bin, den du von früher kennst, und nicht nur der Soldat, den man aus mir gemacht hat? Glaubst du, weil ich eine Armee unter meinem Befehl habe, weil Adjutanten und Offiziere jede Laune von mir befolgen, könnte ich nicht einsam sein?«
    Sie stand unvermittelt auf, ohne ihn zu berühren. »Ja«, sagte sie und schaute zu ihm hinab, während er den Blick auf die Goldfäden gesenkt hielt, mit der die Armlehne der Couch durchwirkt war. »Du bist einsam, und ich bin einsam, und Darckense ist einsam, und er ist einsam, und alle sind einsam!«
    Sie wandte sich schnell ab, wobei sich der lange Rock kurz bauschte; dann ging sie zur Tür und rauschte hinaus. Er hörte die Tür mit einem Knall zuschlagen und blieb, wo er war, vor der verlassenen Couch kniend wie ein verschmähter Verehrer. Er schob den kleinen Finger durch eine Schlaufe des Goldfadens, die Livueta aus der Armlehne gezogen hatte, und zerrte daran, bis sie zerriss.
    Er stand langsam auf, ging zum Fenster, schlüpfte zwischen den Gardinen hindurch und stand da und blickte in die graue Morgendämmerung hinaus. Männer und Maschinen bewegten sich durch die verschwommenen Nebelstreifen; graue Schwaden wie das gazeartige Tarnnetz der Natur.
    Er beneidete die Männer, die er beobachtete. Er war überzeugt davon, dass die meisten ihrerseits ihn beneideten; er hatte das Sagen, er hatte ein weiches Bett und brauchte sich nicht durch den Matsch der Gräben zu quälen oder absichtlich mit den Zehen gegen Steine zu stoßen, um beim Wacheschieben nicht einzuschlafen… Dennoch beneidete er sie, weil sie nur zu tun brauchten, was ihnen gesagt wurde. Und – gestand er sich ein – er beneidete Elethiomel.
    Er wünschte sich, er wäre ihm in vielerlei Hinsicht ähnlicher. Diese skrupellose Hinterhältigkeit, diese geistesgegenwärtige Tücke, dachte er – ihm fehlte das.
    Er

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