Das Labyrinth
Sagen wir, er ist ein Gesetzesbrecher, der bei einer Zusammenkunft von Spekulanten aufgegriffen wurde und besser mit uns zusammenarbeiten sollte.«
»Leck mich am Arsch«, sagte Gari. Im Tageslicht sah seine gebrochene Nase wie angeklebt aus.
»Hast du immer noch deine Zlotys und Forints?« fragte Arkadi.
»Leck mich am Arsch.«
Jaak las aus seinen Notizen vor. »Der Zeuge gibt an, daß er mit dem >Scheißkerl!<, dem Verstorbenen, gesprochen habe, da er der Meinung war, daß der Verstorbene ihm Geld schuldete. Er hat dann den >Scheißwagen< des Verstorbenen verlassen und stand etwa fünf Minuten später in einer Entfernung von schätzungsweise zehn Metern, als der Wagen explodierte. Ein Mann, den der Zeuge als Kim kennt, hat eine zweite >Scheißbombe< in den Wagen geworfen und ist dann fortgelaufen.«
»Kim?« fragte Arkadi.
»So sagt er. Er sagt auch, daß er sich seine >Scheißhände< verbrannt hat, als er versuchte, dem Verstorbenen zu helfen.«
Jaak langte in Garis Taschen und zog eine Handvoll halbverbrannte Dollar- und Markscheine hervor.
Es würde ein warmer Tag werden. Der Morgentau verwandelte sich bereits in Schweißperlen. Arkadi sah mit zusammengekniffenen Augen zu einem von der Sonne erleuchteten Spruchband hoch, das schlaff an der Spitze des Westturms hing. »HOTEL DER NEUEN WELT!« Er stellte sich vor, wie sich das Spruchband im Wind blähte und der Turm wie eine Fregatte davonsegelte. Er brauchte Schlaf. Er brauchte Kim.
Polina kniete auf dem Boden neben der Beifahrertür.
»Noch mehr Blut«, rief sie.
Als Arkadi die Tür zu Rudi Rosens Wohnung aufschloß, drängte sich Minin mit einer riesigen Stetschkin-Maschinenpistole vor. Offensichtlich keine Standardausführung.
Arkadi bewunderte die Waffe, aber es beunruhigte ihn, sie in Minins Händen zu wissen. »Damit können Sie einen ganzen Raum in zwei Teile zersägen«, sagte er zu Minin. »Wenn jemand hier wäre, hätte er die Tür geöffnet oder gleich mit einer Schrotflinte durchsiebt. Ihre Maschinenpistole nützt uns im Moment gar nichts. Sie erschreckt nur die Damen.« Er warf den beiden Straßenkehrerinnen, die er als amtliche Zeugen mitgenommen hatte, einen beruhigenden Blick zu. Sie beantworteten ihn mit einem scheuen Lächeln stählerner Zähne. Hinter ihnen zogen zwei Beamte der Spurensicherung ihre Gummihandschuhe an.
Durchsuch die Wohnung eines Menschen, den du nicht kennst, und du bist ein Ermittler, dachte Arkadi. Durchsuch die Wohnung von jemandem, den du kennst, und du bist ein Voyeur. Seltsam. Er hatte Rudi Rosen seit einem Monat observiert, war aber nie in seiner Wohnung gewesen.
Eine gepolsterte Eingangstür mit Spion. Wohn/Speisezimmer, Küche, Schlafzimmer mit Fernseher und Videorecorder. Ein weiteres, in ein Büro umgewandeltes Schlafzimmer. Badezimmer mit Whirlpool. Bücherregale mit gebundenen Klassikerausgaben (Gogol, Dostojewski), Biographien von Breschnew und Moshe Dayan, Briefmarkenalben und alten Ausgaben von Israel Trade, Soviel Trade, Business Week und Playboy. Die Leute von der Spurensicherung begannen mit ihrer Untersuchung, gefolgt von Minin, der darauf achtete, daß nichts verschwand.
»Bitte nichts berühren«, sagte Arkadi zu den Straßenkehrerinnen, die andächtig in der Mitte des Raumes stehengeblieben waren, als hätten sie den Winterpalast betreten.
Ein Küchenschrank enthielt amerikanischen Whiskey und japanischen Brandy, dänischen Kaffee in Packungen aus Alufolie, keinen Wodka. Im Kühlschrank geräucherter Fisch, Schinken, Pastete und Butter mit einem finnischen Markennamen, ein Plastikbecher mit saurer Sahne und im Tiefkühlfach eine Eistorte mit rosaroter und grüner Glasur in Form von Blumen und Blättern. Es war eine der Torten, die früher in gewöhnlichen Milchgeschäften verkauft worden waren, mittlerweile aber zu den Raritäten zählten, die man nur noch in Spezialgeschäften bekam - allerdings etwas weniger kostbar als, nun, sagen wir, ein Faberge-Ei.
Orientteppiche auf dem Boden des Wohnzimmers. An der Wand Porträtfotos eines Geigers im Frack und einer Frau am Klavier. Ihre Gesichter hatten die gleiche runde Form und den gleichen ernsten Ausdruck wie das von Rudi. Das vordere Fenster gab den Blick frei auf die Donskaja-Straße und, über die Dächer der umliegenden Häuser im Norden, auf das Riesenrad, das sich langsam und ziellos im Gorki-Park drehte.
Arkadi betrat ein Büro mit einem finnischen Ahornschreibtisch, Stairmaster, Telefon und Fax. An der Steckdose ein
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