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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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der Wahrheit nicht weit entfernt war.
    Dies war das neue Moskau.
    Die Silhouetten waren Türme mit roten Lichtern an der Spitze, als Warnung für Flugzeuge. Zu ihren Füßen standen staubbedeckte Erdbewegungsmaschinen und Zementmischer, lagen Stapel brauchbarer und Haufen unbrauchbarer Ziegelsteine. Metallstreben versanken im Schlamm. Gestalten bewegten sich um die Wagen, weitere trafen ein - offensichtlich eine Versammlung von Schlaflosen, auch wenn hier niemand schlafwandelte. Die Szene war erfüllt vom erregten, schwärmenden Summen eines Schwarzmarkts.
    Wie in einem Traum, dachte Arkadi. Kartons mit Marlboros, Winstons, Rothmans, sogar die sonst verschmähten kubanischen Zigaretten, wandhoch gestapelt. Videobänder amerikanischer Actionfilme und schwedischer Pornos, zum Wiederverkauf en gros. Polnische Glasware glitzerte in fabrikneuen Kisten. Zwei Männer in Trainingsanzügen boten nicht nur Scheibenwischer, sondern gleich ganze Windschutzscheiben an, verhökerten nagelneue, direkt vom Fließband kommende Autos. Und Lebensmittel! Nicht irgendwelche blauen, an Unterernährung gestorbenen Hühnchen, sondern im Lastwagen eines Schlachters hängende, marmorierte Rinderhälften. Zigeuner stellten neben brennenden Petroleumlampen Aktenkoffer mit Goldrubeln aus der Zarenzeit zur Schau, wie frisch aus der Münze und in Plastikstreifen versiegelt. Jaak wies auf einen mondweißen Mercedes. Lampen verbreiteten Basartmosphäre. Zwischen den Wagen könnten Kamele grasen, dachte Arkadi, oder chinesische Kaufleute Bahnen kostbarer Seide ausrollen. Ein Lager für sich bildete die Tschetschenen-Mafia, Männer mit teiiger, pockennarbiger Haut und schwarzem Haar, die sich in ihren Wagen räkelten wie träge Paschas. Selbst hier umgab die Tschetschenen ein Kordon aus Angst.
    Rudi Rosens Audi parkte ziemlich in der Mitte des Marktes neben einem Laster mit Radios und Videorecordern, vor dem sich eine disziplinierte Käuferschlange gebildet hatte. Kim stand, einen Fuß auf seinem Helm, etwa zehn Meter weit entfernt und schob sich die langen Haare aus dem kleinen, fast zarten Gesicht. Seine Jacke war wie eine Rüstung gepolstert und halb geöffnet, so daß man darunter seine Malysch - »Kleiner Junge« -, die kompakte Ausführung einer Kalaschnikow, erkennen konnte.
    »Ich stelle mich an«, sagte Arkadi zu Jaak. »Warum macht Rudi das?«
    »Ich frage ihn.«
    »Er hat einen koreanischen Vampir als Leibwächter, der jede deiner Bewegungen überwacht.«
    »Schreib dir das Nummernschild auf und behalte Kim im Auge.«
    Arkadi stellte sich ans Ende der Schlange, während Jaak in der Nähe des Lasters umherzuschlendern begann. Aus der Feme machten die Videorecorder den Eindruck solider sowjetischer Ware. Kleinere Geräte waren im allgemeinen nur in anderen Ländern beliebt, Russen wollten nicht verbergen, sondern zeigen, was sie gekauft hatten. Aber waren sie neu? Jaak strich mit der Hand über die Kanten und suchte nach verräterischen Brandspuren von Zigaretten.
    Die goldhaarige Frau, die mit Rudi gekommen war, schien verschwunden. Arkadi fühlte sich beobachtet und wandte sich nach einem Gesicht um, dessen Nase so oft gebrochen worden war, daß sie einen Höcker ausgebildet hatte. »Wie ist der Kurs heute?« fragte der Mann.
    »Ich weiß es nicht«, gab Arkadi zu.
    »Sie schlagen dir die Eier auf, wenn du was anderes als Dollars hast. Oder Touristencoupons. Und sehe ich etwa aus wie einer dieser verdammten Touristen?« Der Mann vergrub die Hände in den Taschen und zog einige zerknüllte Banknoten hervor, hob die eine Faust: »Zlotys.« Und die andere: »Forints. Kannst du dir das vorstellen? Ich bin den beiden vom Savoy gefolgt. Ich dachte, sie wären Italiener, und dann stellte sich raus, daß der eine Ungar und der andere Pole war.«
    »Muß ziemlich dunkel gewesen sein«, sagte Arkadi.
    »Als ich dahinterkam, hab ich sie beinahe umgebracht. Ich hätte sie umbringen sollen, um ihnen zu ersparen, von diesen beschissenen Zlotys und Forints leben zu müssen.«
    Rudi kurbelte das Beifahrerfenster herunter und sagte zu Arkadi: »Der nächste!« Dem Mann mit den Zlotys rief er zu:
    »Noch etwas Geduld.«
    Arkadi stieg ein. Rudi, eine offene Geldkassette auf dem Schoß, trug einen gutgeschnittenen Zweireiher. Er hatte schütter werdendes Haar, das schräg über die Schädelplatte gekämmt war, feuchte Augen mit langen Wimpern und einen blauen Fleck am Kinn. An der Hand mit dem Taschenrechner steckte ein Granatring. Der Rücksitz war ein voll

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