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Das Labyrinth der Zeit

Das Labyrinth der Zeit

Titel: Das Labyrinth der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Patrick
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festzustecken, wäre fatal, sofern sich tatsächlich noch ein sechster Mann in der Umgebung der Hütte aufhielt.
    Eine Erinnerung aus Kindertagen kam ihm in den Sinn: die Geschichte von Ichabod Crane und dem kopflosen Reiter. Irgendein Punkt auf dieser Straße war das Gegenstück zu der sagenumwobenen Brücke, die Grenze, hinter der sie, wenn sie sie erst überschritten hatten, in Sicherheit sein würden.
    Diesen Punkt, das wusste er, hatten sie noch nicht erreicht.
    Paige saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Über die Konsole in der Mitte hinweg lehnte sich Carrie vom Rücksitz aus zu ihnen nach vorn. Die andere Frau, nach wie vor gefesselt, hing ihr schlaff quer über den Schoß, und Carrie drückte ihr die Beretta an den Kopf, nur auf die Gefahr hin, dass sie zu sich kam. Was anscheinend gerade der Fall war – sie gab einzelne Laute von sich.
    Wie viel Zeit war vergangen, seit sie auf die Straße abgebogen waren? Zehn Sekunden? Fünfzehn?
    Vor ihnen lag die Ortschaft, hell und einladend außerhalb der Finsternis, die den Jeep umgab. Zehn Sekunden waren sie vielleicht noch von diesem Licht entfernt, als sie von der ersten Kugel getroffen wurden. Wie der wuchtige Hieb eines Baseballschlägers schlug sie links gegen die Karosserie, prallte jedoch ab, ohne in das Metall einzudringen. Travis bekam mit, wie die anderen heftig zusammenzuckten, und auch er riss vor Schreck das Steuer unwillkürlich etwas zur Seite, worauf der Wagen auf der schneebedeckten Straße eine grässliche Sekunde lang ins Schlingern geriet. Das Heck rutschte nach links, die Räder drehten durch, ohne festen Halt zu finden. Ein zweiter Schuss streifte das Autodach acht Zentimeter über Travis’ Kopf und hinterließ einen Riss im Material, durch den sogleich kalte Luft hereindrang. Da endlich fand der Jeep in die gerade Spur zurück und schoss wieder vorwärts. Die nächsten drei Sekunden geschah nichts, nur die hellen Straßen kamen stetig näher, während sich das Dunkel vor ihnen zusehends verkürzte. Drei weitere Sekunden, in denen sie sich an die Hoffnung klammern konnten, sie würden es schaffen.
    Dann zersplitterte die Heckscheibe, in einer Sitzlehne sprang lautstark eine Polsterfeder entzwei, und Blut spritzte quer über die Windschutzscheibe.

10
    Nicht Paige.
    Das war der einzige Gedanke, der Travis in den Sekunden danach durch den Kopf hallte und an den er sich später noch erinnern konnte. Nicht die Überlegung, wie weit sie noch fahren mussten, bis sie in Sicherheit waren, oder wie lange das dauern würde. Nicht das Bewusstsein, dass er den Jeep um jeden Preis unter Kontrolle halten musste. Nicht einmal die Furcht vor einem weiteren Schuss.
    Nicht Paige. Das war alles. Wer sonst von den Insassen des Jeeps umkam, ihn selbst eingeschlossen, spielte für ihn keine Rolle. Solange es nur nicht Paige traf.
    Sofern irgendjemand schrie, bekam er nichts davon mit, denn er hörte nur noch das Blut in seinen Ohren rauschen. Hinzu kam der heulende Wind, der durch das Loch im Autodach über ihm drang und ungehindert durch das Wageninnere fegte, da nunmehr die Heckscheibe fehlte.
    Sie gelangten in die Lichter am östlichen Ortsrand, und jetzt tauchte auch schon die erste Querstraße vor ihnen auf. Travis bremste scharf und riss das Lenkrad nach rechts, und noch während des Abbiegens bekam er mit, wie ein Zeitungskasten an der Straßenecke von einem Schuss getroffen wurde und die Zeitungen darin kurz flatterten, als wäre ein Windhauch darüber hinweggestrichen. Dann befand sich der Jeep auch schon in der Seitenstraße und beschleunigte wieder, an zweigeschossigen Backsteinhäusern vorbei, die sie vor dem Schützen abdeckten.
    Das Blut rann an der Windschutzscheibe herunter, in einzelnen dicken Tropfen, die senkrechte Schlieren bildeten.
    Travis wandte sich Paige zu.
    Ihr linker Jackenärmel und ihre linke Gesichtshälfte waren sogar noch blutiger als die Windschutzscheibe.
    Aber dabei ebenso unversehrt wie die blutige Scheibe. Es war nicht ihr Blut – eine Tatsache, von der sie sich eben erst selbst zu überzeugen schien. Gleich darauf wandte sie sich auf ihrem Sitz zu Carrie Holden um.
    Carrie beugte sich jetzt nicht mehr zu ihnen nach vorn, sondern saß weit zurückgelehnt auf dem Rücksitz und drückte sich eine Hand links unten an den Bauch.
    Ihre Finger waren blutverschmiert.
    «Mein Gott», sagte Paige, kniete sich auf den Beifahrersitz und schaltete die Innenbeleuchtung an, um sich Carries Wunde näher anzusehen.
    Als Erstes entdeckte

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