Das Labyrinth des Maal Dweb
Abwesenheit sei allein dringenden Pflichten zuzuschreiben; und er schielte taktvoll zur Seite, als er mir versicherte, dass ich sie schon bald wiedersehen würde.
Ich unternahm einen Spaziergang durch das Dorf, begleitet vom Dolmetscher und den Mädchen, welche sich weigerten, mich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde zu verlassen. Das Städtchen wirkte, wie ich bereits erwähnte, groß für ein afrikanisches Dorf, und es muss bald 3000 Leuten Heimat geboten haben. Alles machte einen aufgeräumten und ordentlichen Eindruck, und der allgemeine Grad an Reinlichkeit war ganz bemerkenswert. Ich konnte sehen, dass die Leute von Azombeii sparsam und fleißig zu sein schienen und viele zivilisierte Eigenschaften bewiesen.
Zur Stunde des Sonnenuntergangs brachte ein Bote eine Einladung von Mybaloë, die sogleich von Nygaza übersetzt wurde. Man offerierte mir, gemeinsam mit ihr im Palast zu dinieren und sodann an den Abendritualen im örtlichen Tempel teilzunehmen.
Der Palast erhob sich ganz am Rande der kleinen Stadt zwischen Palmen und Pandanen und war lediglich eine übergroße Hütte, wie dies afrikanische Paläste üblicherweise sind. Jedoch das Innere erwies sich als sehr behaglich, sogar luxuriös, und ein gewisser barbarischer Geschmack offenbarte sich in seiner Ausstattung. An den Wänden standen niedrige Sofas, bedeckt mit Stoffen einheimischer Webkunst oder mit den Häuten des Ayu, einer Art Süßwasserseehund, welcher im Benuwe heimisch war. In der Mitte des Raumes befand sich ein langer, niedriger Tisch, um welchen die Gäste hockten. In einer Ecke, wie in einer Nische, bemerkte ich ein kleines, hölzernes Abbild einer weiblichen Gestalt, die ich zu Recht für eine Darstellung der Wanaôs hielt. Diese Figur zeigte nun eine seltsame Ähnlichkeit mit der römischen Venus, aber ich brauche sie nicht weiter zu beschreiben – oft genug hast du sie auf meinem Bibliothekstisch gesehen.
Mybaloë begrüßte mich mit vielen Komplimenten, die von Nygaza ordnungsgemäß übersetzt wurden, und ich antwortete, um nicht übertroffen zu werden, mit Reden von einer blumigen Leidenschaft, und dies keineswegs ohne Ernst.
Meine Gastgeberin bedeutete mir, rechts von ihr Platz zu nehmen, und das Festmahl begann. Die Gäste, so erfuhr ich, waren größtenteils Priester und Priesterinnen der Wanaôs. Sie alle bedachten mich mit freundlichem Lächeln, mit Ausnahme eines einzigen Mannes, der ein mörderisches Stirnrunzeln zeigte. Dieser Mann, erzählte Nygaza in fast unhörbarem Flüstern, war der Hohepriester Mergawe, ein mächtiger Zauberer und Schamane, eher gefürchtet als verehrt, seit Langem in Mybaloë verliebt und getrieben von der Hoffnung, zu ihrem Gemahle erwählt zu werden.
So unaufdringlich, wie mir dies möglich war, beobachtete ich Mergawe mit größter Aufmerksamkeit. Ein muskulöser Bulle, über 1,80 Meter groß gewachsen und breit, ohne dick zu sein. Das Antlitz war im Umriss ebenmäßig und hätte hübsch genannt werden können, wäre da nicht die Verzerrung durch eine höchst böswillige Miene gewesen. Sooft Mybaloë mich anlächelte oder eine Bemerkung durch Nygaza an mich richtete, wurde sein Blick zu einem dämonischen Funkeln. Leicht stellte ich fest, dass mir der erste Tag meines Besuchs in Azombeii bereits einen mächtigen Feind wie auch eine mögliche Geliebte beschert hatte.
Die Tafel war beladen mit tropischen Köstlichkeiten: mit dem Fleisch von jungem Rhinozeros, mehreren Arten von wildem Geflügel, Bananen, Papayas und einem süßen, stark berauschenden Palmwein. Die meisten der Gäste waren sehr geneigt, sich auf echt afrikanische Weise vollzufressen – Mybaloës Art zu essen erschien mir jedoch so wählerisch wie die eines jeden europäischen Mädchens, und durch ihre Zurückhaltung gewann sie umso mehr meine Zuneigung. Mergawe aß gleichfalls wenig, trank jedoch unmäßig, dem Anschein nach in dem Versuch, einen Rausch zu erlangen.
Stundenlang zog sich das Essen und Trinken hin, aber aufgrund der stetig wachsenden Bezauberung durch Mybaloës Anwesenheit achtete ich immer weniger darauf und auf meine Mitgäste. Die geschmeidig jugendliche Anmut ihrer Gestalt, ihre wunderbar zarten Augen und Lippen, sie waren weitaus stärker noch als aller Wein, und alsbald vergaß ich sogar, auf das unheilvolle Schielen des Mergawe zu achten. Ihrerseits zeigte Mybaloë mir gegenüber ein offenes Wohlwollen, rasch ausgedrückt und erklärt, welches zu verbergen ihr nicht einmal in den Sinn kam. Sie und ich
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