Das Labyrinth des Maal Dweb
hatte. Er praktizierte die Beschwörungskunst und kannte angeblich sogar das Geheimnis eines schrecklichen, langsamen Giftes, welches seine Opfer verwelken und auf die Statur eines neugeborenen Kindes schrumpfen ließ – mit ausgedehnten und höllischen Qualen –, eines Giftes, das erst Wochen oder Monate nach dem Zeitpunkt seines Verzehrs zu wirken beginnt.
Die Tage vergingen, und ich vergaß, sie wirklich zu zählen, da ich die Zeit nur in den Stunden berechnete, welche ich mit Mybaloë verbrachte. Die Welt und ihre Fülle, sie gehörten uns – uns gehörten der tiefblaue Himmel und der blühende Wald und die Wiesen am Ufer des Flusses. Wie Liebende es zu tun geneigt sind, fanden wir für uns mehr als nur einen Lieblingsplatz, welchen wir gern in wiederkehrenden Abständen aufsuchten.
Einer dieser Orte war eine Grotte hinter dem Höhlentempel der Wanaôs, in deren Mitte sich ein großer, durch unterirdische Kanäle vom Benuwe-Strom gespeister Teich befand. Zu irgendeiner fernen Zeit musste das Grottendach eingebrochen sein, was eine von Palmen gesäumte Öffnung oben im Hügel hinterlassen hatte, durch die das Sonnen- oder Mondlicht mit steilen Strahlen auf die düsteren Wasser fiel. An den Seiten entlang gab es viele breite Vorsprünge und fantastische Nischen aus säulenförmigem Gestein. Ein Ort von sonderbarer Schönheit, und Mybaloë und ich hatten mehr als eine monderhellte Stunde auf den couchähnlichen Simsen oberhalb des Teiches verlebt. Das Wasser wurde bewohnt von mehreren Krokodilen, diesen jedoch schenkten wir wenig Beachtung: Ineinander versunken waren wir und in die bizarre Schönheit der Grotte, welche sich unter dem wechselnden Licht stets veränderte.
Eines Tages war Mybaloë zu einer Erledigung, an deren Natur ich mich heute nicht mehr erinnern kann, vom Dorf fortgerufen worden. Zweifellos betraf es ein Problem der Rechtsprechung oder der einheimischen Politik. Auf jeden Fall wurde sie nicht vor dem kommenden Mittag zurückerwartet. Deshalb war ich zur Gänze überrascht, als des Abends ein Bote zu mir kam mit der Nachricht, Mybaloë kehre früher zurück als geplant, und sie bitte mich, sie um jene Stunde zu treffen, in der die Strahlen des Mondes, welcher jetzt leicht gewölbt, zum ersten Mal durch die Öffnung von oben in der Grotte hinter der Höhle der Wanaôs fallen. Der Eingeborene, der diese Nachricht überbrachte, war ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, aber da er vorgab, aus jenem abgelegenen Dorf zu kommen, in das man Mybaloë gerufen hatte, dachte ich mir nichts dabei.
Ich erreichte die Höhle zur festgesetzten Stunde und hielt am Rande eines der Vorsprünge an, wo ich mich im trügerischen Licht nach Mybaloë umsah. Der Mond hatte sich darangemacht, ein märchenhaftes Strahlen über die raue Kante des Lochs in der Höhlendecke zu ergießen. Im Wasser unter mir gewahrte ich eine verstohlene Bewegung, dort, wo ein Krokodil durch das silberglänzende Schwarz der Oberfläche glitt – von Mybaloë selbst vermochte ich jedoch nirgendwo ein sichtbares Zeichen zu finden. Ich fragte mich, ob sie sich in einer possenhaften Laune vor mir versteckte, und entschied, eine Durchsuchung der Nischen und Vorsprünge auf Zehenspitzen vorzunehmen, um sie zu überraschen.
Gerade war ich im Begriff, jenen Vorsprung zu verlassen, auf welchem ich stand, da erhielt ich von hinten einen kräftigen Stoß versetzt, der mich mit jäher Plötzlichkeit in den schwarzen Teich rund zwei Meter unter mir stürzte. Das Wasser war tief, und ich sank fast bis zum Grund hinab, bevor ich wieder zu mir kam oder überhaupt merkte, wie mir geschah. Sodann kam ich hoch und stieß blindlings zum Ufer vor, da ich mich mit einem Schauder des Entsetzens des Krokodils erinnerte, welches ich in dem Moment vor meinem Sturz gesehen hatte. Ich gelangte zum Ufer, wo es mit zugänglichen Abstufungen sanft abfiel. Das Wasser war nach wie vor tief, und meine Finger rutschten immer wieder ab auf dem glatten Stein. Hinter mir vernahm ich ein heimliches Plätschern und kannte seine Ursache nur allzu gut. Als ich den Kopf wandte, gewahrte ich zwei von den großen Echsen, deren Augen mit scheußlichem Leuchten im Mondlicht brannten, als sie eilends auf mich zuhielten.
Ich glaube, ich muss laut aufgeschrien haben, denn wie zur Antwort hörte ich die Stimme einer Frau auf dem Vorsprung oben schreien, und sodann wurde das gekräuselte Wasser durch eine fallende Gestalt zerteilt, die für einen Augenblick in einem Blitzen wie
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